Zur von der Bundesnetzagentur angekündigten EK-Zinserhöhung um 5,6 Prozent

28.08.2023 | Auch hier zu finden im Web

EK-Zins
Verteilnetze
Regulierung
Netzentgelte

(Rede auf dem Deutschen Energierechtstag am 24. August 2023)

Über die Einladung zu diesem Fachforum „Regulierung“ habe ich mich sehr gefreut, denn es gibt viel zu besprechen in der Regulierung. Und ich finde es gut, dass man sich zu diesem Energierechtstag, diesem vielleicht wichtigsten Stelldichein der deutschen Energiejuristinnen und -juristen auch Volkswirtinnen und Volkswirte einlädt – denn Regulierung ist in erster Linie eine wirtschaftswissenschaftliche, eine volkswirtschaftliche Frage und wir erklären es gerne.

Um hier zum Einstieg gleich ein Beispiel zu geben: Die Diskussionen rund um den Eigenkapitalzins und – dahinter liegend – die Investitionsfähigkeit der Verteilnetzbetreiber wird ja gerade immer hitziger. Als Volkswirt kann ich Ihnen sagen: Wie auch immer die aktuelle Runde der EK-Zins-Debatte ausgeht – diese Diskussion wird bleiben. Die Frage der Investitionen, zu viel oder zu wenig, ist die Urfrage der Regulierung seit Averch-Johnson. In Großbritannien, das mit Anreizregulierung vielleicht die längste Tradition hat, dreht sich die Diskussion nur noch darum. Bei der größten deutschen Regulierungsanpassung in den vergangenen Jahren – der Einführung des Kapitalkostenabgleichs – war die Investitionsfrage der Treiber. Also auch, wenn wir diese EK-Zins-Debatte irgendwann geschafft haben werden, kreisen unsere Diskussionen weiter um dieses Thema.

Der Aufruf von Klaus Müller und Barbie Haller im Tagesspiegel vom 27. Juni zur sachorientierten Debatte war daher wichtig. Nur da kann die Zukunft liegen: Die Debatte anständig führen. Denn dieses Thema wird uns nicht nur lange in die Zukunft begleiten, sondern wir werden die Ergebnisse auch gemeinsam erleben bzw. erleiden. Wenn wir – Bundesnetzagentur und Netzbetreiber – die Energiewende im Verteilnetz nicht erfolgreich umgesetzt bekommen, kann man ja wechselseitiges „Fingerpointing“ versuchen. Am Ende packt man uns trotzdem „zusammen in einen Sack“ und haut mit dem Knüppel drauf. Und diesen kleinen Einschub möchte ich mir hier erlauben: Der Anspruch einer sachorientierten Debatte geht weit über das Juristische hinaus. Ein Capital-Asset-Pricing-Model-Ansatz mit zwei verschiedenen risikolosen Zinssätzen, wie bei der letzten EK-Zins-Festlegung verwendet, ist einfach sachlich falsch. Und es wird auch immer falsch bleiben, egal was der Bundesgerichtshof entscheidet.

Und wenn ich auf die aktuelle Debatte schaue, finde ich seitens der Branche einen Punkt bemerkenswert. Wir haben sehr klar gemacht, dass der aktuelle Vorschlag der Bundesnetzagentur zur Anpassung der Eigenkapitalverzinsung nicht ausreicht. Wir haben klar gesagt, dass die 7,09 statt 5,07 Prozent EK-Zins für Neuanlagen, die die Bundesnetzagentur ausgerufen hat, in dieser Höhe nie in unserer GuV ankommen, weil sie nicht für die ganze Laufzeit, sondern nur für maximal 5 Jahre gewährt werden. Aber wir haben nie gesagt, was die neue Eigenkapitalverzinsung denn nun tatsächlich ist. Übrigens auch die Bundesnetzagentur nicht, aber wir kritisieren ja den Vorschlag als unzureichend. Wie hoch ist denn nun tatsächlich diese neue, unzureichende Eigenkapitalverzinsung nach dem Vorschlag der Bundesnetzagentur?

Wie gut, dass Sie hier einen Volkswirt haben, denn nur wir Volkswirtinnen und Volkswirte haben das Werkzeug, diese Frage zu beantworten: Unser beliebtes ceteris-paribus. Stellen wir also eine Kapitalwertberechnung an, bei der wir alle Umfeldbedingungen gleich lassen und nur den Eigenkapitalzinssatz gemäß der Bundesnetzagenturankündigung verändern. Wie verändert sich dann der interne Zinsfuß einer Netzinvestition? Der interne Zinsfuß ist der Zins, der die Investitionsrendite angibt.

Ich berücksichtige bei meiner Berechnung, dass gerade am Anfang die Kapitalbindung höher ist. Im Jahr 40 einer Investition sind nur noch 1/40 des investierten Kapitals in der Investition gebunden, der Rest ist über die Abschreibungen schon zurückgeflossen. Eine Erhöhung des Eigenkapitalzinssatzes gerade für die ersten Jahre einer Investition ist also attraktiver, auch wenn es maximal nur fünf sind.

Nun: Wie sieht die Verbesserung der Eigenkapitalverzinsung für Netzinvestitionen aus? Für Investitionen im Jahr 2024 steigt der EK-Zins von 5,07 % auf 5,54 %, also eine Steigerung um rund 9 %. Die Investitionen im Jahr 2024 kommen hier ja am besten weg, weil sie den höheren Zins von 7,09 % für die fünf Jahre der kommenden Regulierungsperiode bekommen. Der Eigenkapitalzinssatz für eine Investition in 2028, die den besseren Zinssatz nur für ein Jahr bekommt, ist 5,17 %, also nur knapp 2 Prozent höher. Im Mittel über die 5 Jahre steigt die Eigenkapitalverzinsung um 5,6 %.

Das ist jetzt besser als ein Loch in der Ölwanne. Aber mit Blick auf die Entwicklungen an den Kapitalmärkten absolut unzureichend. Allerdings ist es auch sehr weit von den 40 Prozent entfernt, die der Präsident der Bundesnetzagentur im Rahmen der Ankündigung der Anpassung ins Schaufenster gestellt hat. „Das ist ein Anstieg um 40 Prozent.“ – so ein wörtliches Zitat von Klaus Müller im Handelsblatt vom 7. Juni 2023. Insofern habe ich mich über den schon erwähnten Aufruf zu einer sachorientierten Debatte sehr gefreut, denn ich habe ihn auch als Selbstverpflichtung angesehen.

Ich möchte nicht verschweigen, dass ich mit der lockeren ceteris-paribus-Annahme eine sehr große Annahme zum zukünftigen Verhalten der Bundesnetzagentur gesetzt habe: Sie wird keine weiteren Anpassungen vornehmen. Tatsächlich hat die Bundesnetzagentur diesen Punkt dezidiert offengelassen, d. h. sie hat bewusst, auch auf Nachfrage, keine Aussage getätigt. An sich ist das nicht zu beanstanden – kein Regulierer bindet sich über so viele Jahre im Voraus gerne selbst. Im Kern müssen die Netzbetreiber eben darauf vertrauen, dass die Regulierung sachgerecht sein wird und eine angemessene Verzinsung für das investierte Kapital ermöglichen wird.

Mit dem Abstellen auf dieses Vertrauen hat auch der ehemalige Präsident der Bundesnetzagentur die letzte EK-Zins-Debatte beendet. Es war damals schon absehbar, dass im Falle einer Zinswende die festgelegten 5,07 Prozent sehr schnell zu niedrig sein würden. Ich zitiere die damalige Pressemitteilung der Bundesnetzagentur: „Gleichwohl hat die Bundesnetzagentur Vorkehrungen getroffen, den Eigenkapitalzinssatz bei einer unerwarteten Änderung des Zinsumfeldes während der nächsten Regulierungsperiode unmittelbar anpassen zu können.“

Von der Branche wurde diese Aussage von Herrn Homann, die von Herrn Müller und Frau Haller vielfach wiederholt wurde, als „Versprechen“ aufgefasst. Und die Debatten kreisen jetzt darum, was genau man denn da gemeint bzw. verstanden hat. Gerade hier, auf dem Deutschen Energierechtstag, möchte ich betonen, dass dies eine sehr juristische Sichtweise ist. Juristinnen und Juristen streiten eben gerne über Wortauslegungen. Als Volkswirt sehe ich das viel grundsätzlicher: Es ist die Aufgabe der Bundesnetzagentur, ein Umfeld zu schaffen, in dem die Netzbetreiber immer eine faire Chance auf eine ausreichende, d. h. kapitalmarktfähige Eigenkapitalverzinsung haben. Da muss nichts versprochen werden. Sie würden doch auch etwas komisch schauen, wenn ich hier jetzt lang und breit mein Versprechen betonen würde, mich immer und mit voller Kraft für die Stromversorgungssicherheit in Baden-Württemberg einzusetzen.

Auf dieser grundsätzlichen Ebene wird es mit Zahlen dann natürlich schwierig – denn wer bringt aus dem ganzen Kuddelmuddel von 10-jährig nachlaufenden Zinssätzen, Anreizregulierung, generellem wie individuellem sektoralen Produktivitätsfaktoren, Energiewendeumsetzung, Netzausbau etc. pp. noch die „faire Chance“ zusammen? Umso bedenklicher ist es, dass die Bundesnetzagentur es mit ihrer Ankündigung vom 7. Juni tatsächlich geschafft hat, die Axt an dieses notwendige Urvertrauen in die Regulierung zu legen.

Die Differenzierung in Alt- und Neuanlagen hat uns alle überrascht. Ich sehe keinen inhaltlichen oder sachlichen Grund für diese Differenzierung. Es ist aber wichtig, dass die Bundesnetzagentur diesen Grund nachliefert, denn ansonsten bleibt der böse Verdacht, dass der einzige Grund eben der ist, dass man Investitionen der Vergangenheit nicht rückgängig machen kann und insofern mit ihnen in Regulierung anders verfahren kann. Die einzige bisherige Begründung, dass wir das doch alles, auch Eigenkapital wie Fremdkapital, für die komplette Laufzeit der Investition durchfinanziert haben, hält schon einer einfach betriebswirtschaftlichen Durchsicht nicht stand. Eigenkapital, anders als Fremdkapital, wird nicht durchfinanziert, sondern ist im Unternehmen risikotragend. Das ist ja gerade der Unterschied zwischen Eigenkapital und Fremdkapital. Deshalb ist der Eigenkapitalzinssatz ja so wichtig.

Für Netzbetreiber steht die Frage im Raum, ob das zukünftig so wiederkommt. Muss man jetzt damit rechnen, dass Investitionen je nach Regulierungsperiode ganz unterschiedlich verzinst werden oder gar mit jeder Regulierungsperiode einem neuen Regulierungsregime, wie es eben zur jeweiligen Lage passt, unterworfen werden? Wenn die Annahme kippt, dass ich nicht dauerhaft auf eine sachlich richtig, ökonomisch knapp ausreichende Verzinsung für meine Netzinvestitionen vertrauen kann, worauf vertraue ich dann?

Mir ist völlig klar, dass diese Vertrauensfrage sehr schnell emotional wird – das wäre auch bei mir so, wenn mir jemand unterstellen würde, ich würde mich nicht für die Versorgungssicherheit in Baden-Württemberg einsetzen. Aber ich kann hier nur die Beobachtungspunkte aus Sicht des Netzbetreibers wiedergeben: Die Bundesnetzagentur erhöht den Eigenkapitalzinssatz für Neuanlagen, weil der aktuelle Eigenkapitalzinssatz nicht mehr kapitalmarktfähig ist. Bisher getätigte Investitionen bekommen einen nicht-kapitalmarktfähigen Eigenkapitalzinssatz. Eine schlüssige Begründung für dieses Vorgehen fehlt.

Auch das sind keine rein juristischen Fragen, aber ein Juristen-Kongress ist ein guter Ort, um diese Fragen einmal zu diskutieren. Und ich weiß, dass das hier ein akademischer Kongress ist: Aber auch Comics haben schöne Zitate. Mit Blick auf die zukünftige Unabhängigkeit der Bundesnetzagentur möchte ich daher mit einem Spider-Man-Zitat schließen: „With great power comes great responsibility.“ Auch für die Energiewende.

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