Zukünftige Verzinsung von Netzinvestitionen

01.03.2006

EK-Zins
Regulierung

Von Helwig Oechsler und Christoph Müller

Der Zusammenhang zwischen Verzinsung von Netzinvestitionen und der Versorgungssicherheit ist so banal wie wirkungsvoll: Nur wenn die Verzinsung als ausreichend angesehen wird, wird investiert. Nur wenn auch zukünftig ausreichend in die Stromnetze investiert wird, ist eine dauerhaft hohe Versorgungssicherheit gewährleistet. Es ist daher zumindest in Erwägung zu ziehen, dass die Verzinsung für zukünftige Netzinvestitionen unsicher ist. Dies gilt bereits bei Annahme eines „ewigen Fortbestehens“ der aktuell geltenden Netzentgeltverordnung (StromNEV) und umso mehr bei dem vorgesehenen Übergang zu einer Anreizregulierung.

Verzinsung unter der StromNEV

Oberflächlich ist die Verzinsung für Neuanlagen in der StromNEV eindeutig und klar geregelt. Bei einer Finanzierung über Fremdkapital können die Zinsen vollständig als Netzkosten angesetzt werden. Nach §5 (2) StromNEV sind Fremdkapitalzinsen in ihrer tatsächlichen Höhe einzustellen, höchstens jedoch in der Höhe kapitalmarktüblicher Zinsen für vergleichbare Kreditaufnahmen. Für den über Eigenkapital finanzierten Anteil von Neuanlagen gesteht die StromNEV eine Verzinsung von 7,91 Prozent vor Steuern zu (§7 (6) StromNEV, wobei „vor Steuern“ aus der Systematik der StromNEV als vor Körperschaftssteuer, nach Gewerbesteuer zu verstehen ist).

Im weiteren Verlauf wird diese vom Gesetzgeber zugestandene Verzinsung als die „vorgesehene Verzinsung“ bezeichnet, Gegenstand der weiteren Betrachtung ist ausdrücklich nicht, ob die vorgesehene Verzinsung für Neuanlagen von 7,91 Prozent von Steuern eine ausreichende Verzinsung ist - hier werden die Meinungen von Netzbetreibern und Netzkunden sicher auseinander gehen. Gegenstand ist, ob die für die Neuinvestition vorgesehene Verzinsung von 7,91 Prozent auch tatsächlich erreicht wird. Oder anders formuliert: Entspricht die vorgesehene Verzinsung also der „tatsächlichen Verzinsung“? Wie im Weiteren gezeigt werden wird, ist dies so gut wie nie der Fall. Verzinst wird nach StromNEV das betriebsnotwendige Eigenkapital. Dieses ergibt sich gem. §7 (1) StromNEV aus folgender Rechnung (gemäß Tab. 1).

Das betriebsnotwendige Eigenkapital wird dann entsprechend des Verhältnisses der kalkulatorischen Restwerte von Alt-Neuanlagen aufgeteilt. Der Anteil, der auf die Neuanlagen entfällt, wird mit 7,91 Prozent verzinst. Dadurch, dass die 7,91 Prozent nicht auf die Neuinvestition direkt, sondern auf einen entsprechenden Anteil des betriebsnotwendigen Eigenkapitals angewendet werden, ist es unwahrscheinlich, dass die Neuinvestition genau eine Verzinsung von 7,91 Prozent erreicht.

Zahlenbeispiel zur Verzinsung nach StromNEV

Dazu ein Beispiel. Ein Netzbetreiber hat Altanlagen mit einem kalkulatorischen Restwert auf Basis von TNW in Höhe von 150 Euro, auf Basis von AHK von 90 Euro. Er hat noch in keine Neuanlage investiert. Seine tatsächliche Eigenkapitalquote beträgt 80 Prozent, so dass die Beschränkung auf 40 Prozent für die Kalkulation greift. Sein Umlaufvermögen beträgt 10 Euro, die Summe aus Fremd- und Abzugskapital 20 Euro, Dieser Netzbetreiber hat also ein betriebsnotwendiges Eigenkapital in Höhe von 150x0,4 + 90x0,6 + 10-20 = 104 €. Der Netzbetreiber möchte jetzt in eine neue Netzanlage in Höhe von 15 Euro investieren und diese für die erste Betrachtung vollständig über eine Eigenkapitaleinlage finanzieren. Zum Anfangszeitpunkt entsprechen sich Investition und Restbuchwert der Anlage. Da über Eigenkapital finanziert wurde, bleibt das Fremd- und Abzugskapital sowie das Umlaufvermögen unverändert. Das betriebsnotwendige Eigenkapital ergibt sich dann als 150x0,4+90x0,6 + 15+10-20= 119 €, Dieses betriebsnotwendige Eigenkapital wird jetzt aufgeteilt nach dem Verhältnis der Restwerte der Alt- und Neuanlagen, also im Verhältnis von 150x0,4 + 90x0,6 zu 15 bzw. 7,6 zu 1 – die Neuanlagen haben somit einen Anteil von 11,63 Prozent. Auf die Neuanlagen entfällt damit ein anteiliges betriebsnotwendiges Eigenkapital in Höhe von 119,00 € x 11,63% =13,84 €, welches mit 7,91 Prozent bzw. 1,09 Euro verzinst wird. Die restlichen 1,16 Euro der investierten 15 Euro (15,00 - 13,84 = 1,16) werden nur mit 6,50 Prozent bzw. 0,08 Euro verzinst. Bezogen auf die ursprüngliche Investition von 15 Euro bedeuten diese 1,17 Euro (1,09 + 0,08) eine tatsächliche Verzinsung von 7,80 Prozent. Die vorgesehene Verzinsung von 7,91 Prozent wird nicht erreicht. Aus dem Beispiel wird deutlich, dass eine Verzinsung von 7,91 Prozent nur genau dann erreicht wird, wenn sich Umlaufvermögen und Summe aus Fremd- und Abzugskapital entsprechen (Abb. 1).

Dies wird aber nur selten bzw. letztlich wohl nie der Fall sein. Weiterhin ist aus dem Beispiel bereits zu erkennen, dass ein steigender Fremdkapitalanteil bei der Finanzierung der Neuanlage die tatsächliche Verzinsung steigen lässt: Gegenüber dem obigen Beispiel reduziert sich der Anstieg des Eigenkapitals um das Fremdkapital, welches jetzt als Abzugsposition zu berücksichtigen ist. Der relative Anteil der Neuanlagen bleibt aber unverändert, da in der obigen Berechnung des Neuanlagenanteils von 11,63 Prozent der Fremdkapitalanteil keine Rolle spielt. Als Beispiel sei der Fall einer 50%-Fremdfinanzierung gerechnet, Das betriebsnotwendige Eigenkapital ergibt sich dann als 150x0,4 + 90x0,6 + 15 + 10-20-15x0,5 = 111,5 €, steigt also gegenüber der Ausgangssituation von 104,00 Euro um 7,50 Euro, Die Verzinsung von 7,91 Prozent wird aber auf 12,97 Euro und somit auf deutlich mehr als diese neu investierten 7,50 Euro angewandt, da auf die Neuanlagen 111,50 € x 11,63 % = 12,97 € entfallen. Hierbei ist zu beachten dass 5,47 Euro (12,97 - 7,50) bisher gemäß StromNEV mit 6,50 Prozent verzinst wurden. Durch die Investition verbessert sich die Verzinsung für diese 5,47 Euro also um 1,41 Prozent, Mit der Neuanlage verbessert sich damit die Eigenkapitalverzinsung um 5,47x1,41% + 7,50x7,91% = 0,67 €. Bezogen auf das eingebrachte Eigenkapital von 7,50 Euro bedeutet dies eine tatsächliche Verzinsung für den Eigenkapitalanteil der Neuanlage von 8,94 Prozent.

Fazit zur Verzinsung nach StromNEV

Finanziert ein Netzbetreiber neue Investitionen in das Stromnetz mit Eigenkapital, wird dieses nur in den seltensten Fällen die in der StromNEV für Neuanlagen vorgesehene Verzinsung von 7,91 Prozent erreichen, Je nachdem, wie sich der Netzbetreiber in der Vergangenheit finanziert hat und wie die Neuanlage finanziert wird, können die tatsächlichen Eigenkapitalzinssätze über oder unter den 7,91 Prozent liegen.

Für die Finanzierung einer Neuanlage kann sich aus der StromNEV ein zusätzlicher Anreiz zu einer Fremdkapitalfinanzierung ergeben. Betrachtet man die Historie der Diskussion um die Eigenkapitalquote im Rahmen der Verhandlungen der Verbändevereinbarungen sowie der Setzung der StromNEV, muss dieser Anreiz wohl als gewollt angesehen werden.

Bei der Frage der Versorgungssicherheit ist somit nicht nur die allgemein vorgesehene Verzinsung von Bedeutung, sondern auch wie sie durch die diversen Kalkulationsvorschriften in eine tatsächliche Verzinsung transformiert wird. Entscheidend ist dabei nicht, welcher vorgesehene Zinssatz in eine Kalkulation einfließt, entscheidend ist vielmehr welche Verzinsung am Ende tatsächlich für den Netzbetreiber resultiert. Nur diese tatsächliche Verzinsung bestimmt die Attraktivität von Netzinvestitionen und hat damit Einfluss auf die Sicherung der Versorgungssicherheit im Netzbereich. Dass sich bereits bei der „einfachen Kosten-Plus-Regulierung“ Verwerfungen zwischen der vorgesehenen und der tatsächlichen Verzinsung ergeben, muss vor dem Hintergrund der anstehenden Einführung der ungleich komplexeren Anreizregulierung beunruhigen.

Übergang zu einer Anreizregulierung

Zwei Aspekte erscheinen in dem hier diskutierten Zusammenhang für den Übergang von einer Kosten- zu einer Anreizregulierung erwähnenswert.

Erstens muss die Verzinsung steigen, wenn für Netzbetreiber die Attraktivität für Neuinvestitionen nicht beeinträchtigt werden soll. Erklärtes Ziel einer Anreizregulierung ist, durch neue Gewinn- und Verlustmöglichkeiten einen Netzbetreiber zu einem effizienten Netzbetrieb anzuhalten. Eine Anreizregulierung führt damit neue Risiken ein, inklusive des vorher wohl nur theoretisch vorhandenen, jetzt aber deutlicheren Risikos des Unternehmensuntergangs. Neue bzw. zusätzliche Risiken erhöhen aber ceteris paribus den Verzinsungsanspruch, den ein Investor an sein eingebrachtes Kapital hat.

Zum Zweiten kommt es mit der Einführung einer Anreizregulierung zu weiteren Regelungen, die die Komplexität des Übergangs von einer vorgegebenen Verzinsungsvorgabe in eine sich für den Netzbetreiber tatsächlich ergebende Verzinsung erhöhen. Denkbar wäre z.B. ein Benchmark auf Basis der Netzkosten aus der StromNEV und weiteren Strukturparameteren. Entscheidend ist dann, wie die Ergebnisse des Benchmarks in der Anreizregulierung verwendet werden, Werden die Netzkosten fast aller Netzbetreiber bis auf die einiger weniger Spitzenreiter im Benchmark nach unten korrigiert, dann wird ein Netzbetreiber ohne Kenntnis auf welcher Position er in zukünftigen Benchmarks landen wird, bei der Bildung seines Erwartungswertes für die zukünftige tatsächliche Verzinsung einen Abschlag auf die vorgegebene Verzinsung anset zen, Selbst wenn im Laufe des Jahres die Regeln für den Benchmark und den Umgang mit den Benchmarkergebnissen in einer Verordnung definiert werden, so bleibt der Benchmark aufgrund der Unkenntnis des einzelnen Netzbetreibers über die Effizienz der anderen Netzbetreiber selbst eine „Blackbox”. Bei Investitionsentscheidungen wird man dies durch einen Abschlag auf die vorgegebene Eigenkapitalverzinsung berücksichtigen.

Mit der Einführung der Anreizregulierung wird sich der schon jetzt vorhandene Effekt verstärken, dass sich im Rahmen der Regulierung aus dem allgemein für alle Netzbetreiber vorgegebene Eigenkapitalzinssatz ein bei allen Netzbetreibern verschiedener individueller tatsächlicher Zinssatz ergeben wird. Im Rahmen der Anreizregulierung ist dies auch durchaus gewollt, da je nach individueller Effizienz die Netzbetreiber unterschiedliche Ergebnisse haben sollen. Aufgrund der bereits bestehenden oben dargestellten Verwerfungen der tatsächlichen Verzinsung ist bereits jetzt abzusehen, dass die Regelungen eine Komplexität erreichen, die es zunehmend unmöglich machen, einen allgemein vorgegebenen Zinssatz zu bewerten: Auch wenn zum Beispiel 15% Eigenkapitalverzinsung oberflächlich attraktiv erscheint, ist durchaus denkbar, dass der Erwartungswert der tatsächlichen Verzinsung sehr viel niedriger liegt. Aus Sicht der von der tatsächlichen Verzinsung langfristig abhängigen Versorgungssicherheit ist dies unerfreulich.

Ein Lösungsansatz: Ergebnistest durch die Bundesnetzagentur

Eine von der Branche vertretene These ist, dass im Rahmen der Anreizregulierung sichergestellt werden muss, dass ein durchschnittlich effizienter Netzbetreiber eine Verzinsung erreichen kann, die eine Reinvestition ermöglicht. Vor dem oben dargestellten Problem der letztlich nur schwer abzuschätzenden tatsächlichen Verzinsung der Netzbetreiber erscheint dies schwierig. Ein Lösungsansatz ist, dass die Bundesnetzagentur einen „Ergebnistest“ der von ihr vorgenommenen Netzentgeltregulierung vornimmt.

Dieser Ergebnistest könnte wie folgt aussehen: Unabhängig von der konkreten Ausgestaltung der Anreizregulierung wird am Ende des Prozesses für jeden Netzbetreiber eine regulierte Kappung der Einnahmen resultieren, entweder durch eine direkte Einnahmenobergrenze oder durch gesetzte Preisobergrenzen. Diese regulierte Einnahmenobergrenze kann mit den Einnahmen verglichen werden, die sich bei Fortbestehen einer Kosten-plus-Regulierung ergeben würden. Entsprechen sich die regulierten Einnahmen der Anreizregulierung und die hypothetischen Einnahmen aus der Kosten-plus Regulierung, wird angenommen, dass die vorgegebene Eigenkapitalverzinsung auch tatsächlich erreicht wird. Liegen die regulierten Einnahmen der Anreizregulierung niedriger, kommt es zu entsprechenden Einschnitten in der vorgegebenen Eigenkapitalverzinsung.

Um durch diesen Ergebnistest nicht „durch die Hintertür“ die Anreizregulierung zu einer Kosten-plus-Regulierung zu machen, darf der Test nur punktuell angewendet werden. Zum einen sollte der Ergebnistest nur für den durchschnittlich effizienten Netzbetreiber durchgeführt werden. Aus dem Benchmarkverfahren ist der durchschnittlich effiziente Netzbetreiber bzw. die Gruppe der durchschnittlich effizienten Netzbetreiber bekannt. Im einfachsten Fall (und wahrscheinlich nicht einmal schlechtesten Fall) könnte aus einer Effizienzrangordnung der Median-Netzbetreiber angesetzt werden. Damit bleibt der gewollte Effekt einer Anreizregulierung erhalten: Überdurchschnittlich effiziente Netzbetreiber können eine bessere Verzinsung erreichen, unterdurchschnittlich effiziente Netzbetreiber müssen kalkulatorische oder auch bilanzielle Verluste hinnehmen.

Weiterhin sollte der Test nur am Anfang einer Regulierungsperiode, d.h. am Anfang des ersten Jahres für das erste Jahr, durchgeführt werden. Damit wäre der Eingriff in die Methodik der Anreizregulierung minimiert: Es wäre dann nur sichergestellt, dass im Startpunkt der Anreizregulierung für den durchschnittlich effizienten Netzbetreiber eine zugestandene Verzinsung tatsächlich auch erreicht wird. Es kann argumentiert werden, dass damit im ersten Jahr eine einseitige Chance für die Netzbetreiber vorliegt, da ja bereits in diesem ersten Jahr Kostensenkungen möglich sind. Allerdings ist anzumerken, dass dies natürlich auch umgekehrt für Verluste gilt — auch diese sind bei unvorhergesehenen, vom Netzbetreiber zu verantwortenden Kostensteigerungen denkbar.

Ein derartiger Ergebnistest würde die regulatorische Unsicherheit deutlich reduzieren. Es wäre sichergestellt, dass eine allgemein vorgegebene Verzinsung für den Netzbetrieb auch tatsächlich erreicht werden kann. Da der Test von den regulierten Obergrenzen, also vom Endpunkt der Regulierung her durchgeführt wird, verliert die Komplexität der verschiedenen Regulierungsvorschriften an Bedeutung. Die Gefahr von unvorhergesehenen Verwerfungen aus den diversen Kalkulationsvorschriften und Regulierungsvorgaben wird reduziert, da zum Schluss überprüft wird, ob das Ergebnis zumindest grob stimmt. Gleichzeitig wird durch die Beschränkung auf die Durchführung nur für den effizienten Netzbetreiber und nur am Anfang einer Regulierungsperiode der Charakter der Anreizregulierung gewahrt.

Fazit

Bereits im Rahmen der Kostenregulierung sind die Kalkulationsvorschriften so komplex, dass die nach StromNEV allgemein vorgesehene Eigenkapitalverzinsung im Regelfall verfehlt wird. Dieser Effekt wird sich mit der zunehmenden Komplexität durch die kommende Anreizregulierung verstärken. Ein von der Bundesnetzagentur im Rahmen der Regulierung durchzuführender Ergebnistest für die Eigenkapitalverzinsung kann dieses Problem vermeiden oder zumindest reduzieren.

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