Was wir von der Ölpreiskrise über den CO2-Preis lernen können

11.10.2019 | Auch hier zu finden im Web

CO2
Strompreis
Klimawandel

Bild-Zeitung vom 1. November 1973

Die Klimasituation wird immer dramatischer – zumindest in der Wortwahl. Immer mehr Städte rufen für ihre Stadt den Klimanotstand aus. Kaum eine Diskussion zur Klimafrage kommt ohne den Begriff „Klimakrise“ aus. Dieses verbale Aufrüsten kommt mir vor wie verbales Anbrüllen – mein Gegenüber ist nicht meiner Meinung – also werde ich lauter – wenn ich Notstand sage (rufe), dann MUSS! er es ja verstehen.

Selbst wenn man nicht gleich „Notstand“ brüllen möchte (und damit streng genommen auch die Aussetzung demokratischer Grundprinzipien zumindest in den Bereich des Diskutierbaren nimmt): Auch „Krise“ geht schon deutlich weiter als alles, was wir zurzeit diskutieren. Lebensmittelkrisen beinhalten eigentlich immer Essensbezugsmarken und Rationierungen - wer schwer körperlich arbeitet, bekommt ein bisschen mehr Butter und Fleisch pro Woche zugewiesen. Aber man muss gar nicht bis in die Nachkriegsjahre zurückgehen, um harte Krisenmangelbewirtschaftung zu finden: Gerade im Energieumfeld gibt es ein Beispiel aus deutlich jüngerer Vergangenheit: die Ölpreiskrise.

Ich betone Ölpreiskrise, da es ja keine Krise von nicht verfügbarem Erdöl war, sondern die Krise eines durch künstliche Verknappung künstlich hoch getriebenen Ölpreises. Die damaligen Reaktionen gingen sehr wohl in Richtung „echte Krisenwirtschaft“ mit Rationierungen. Die autofreien Sonntage, d. h. Fahrverbote an Sonntagen, sind im kollektiven Gedächtnis der Bundesrepublik hängen geblieben. Mit der deutschen Grundüberzeugung  „Freie Fahrt für Freie Bürger“ haben wir aber offenbar erfolgreich den zweiten Mangelwirtschaftsansatz jener Verordnung vom 19. November 1973 vergessen, der sich schon im Namen der Verordnung zeigt: „Verordnung über Fahrverbote und Geschwindigkeitsbegrenzungen für Motorfahrzeuge“. Gesetz wurde neben den autofreien Sonntagen nämlich auch ein temporäres Tempo 100 auf den Autobahnen und Tempo 80 auf den Landstraßen. Auch wenn wir gerne von der Klimakrise reden, zeigt die aktuelle Debatte rund um ein Tempo 130, dass wir offenkundig noch nicht in einer echten Krisenbewirtschaftung sind.

Die Ölpreiskrise zeigt aber auch etwas anderes: Der einschneidende Effekt kam nicht über die Mangelbewirtschaftung, sondern eben über den hohen Ölpreis. Plötzlich war der Verbrauch eines PKW ein echtes Kriterium bei der Anschaffung. Die Autoindustrie machte sich erfolgreich und für jeden am Zapfhahn prüfbar auf den Weg zu immer sparsameren Verbrennungsmotoren. Plötzlich wurde auch in der Nordsee Erdöl gefördert – und wenn man mal „von außen“ auf die Erde schaute, musste man sich doch fragen, wie doof die Erdlinge eigentlich sind: Holen das Erdöl aus der Nordsee, wenn sie es auch sehr(!) viel bequemer alles in der arabischen Wüste fördern könnten (gütig erkennend, dass die Erdlinge das mit dem Klimaeffekt durch CO2 offensichtlich noch nicht verstanden hatten). Alle Volkswirtschaften der Welt begannen daran zu arbeiten: Wie kann Erdöl-Einsatz effizienter gestaltet werden? Wo haben wir Möglichkeiten der Erdöl-Förderungen? Am Ende der Geschichte steht das 3-Liter-Auto und eine OPEC, die mit den zahlreichen neuen Produzenten viel von ihrer Marktmacht eingebüßt hat.

Der Effekt kam also nicht über das Verbot bzw. die Mangelbewirtschaftung, sondern über den Preis. Und so ist die Logik und die Idee eines CO2-Preises eben nicht, CO2 mit einem hohen Preis über das Portemonnaie defacto zu verbieten. Die Idee ist, dass darüber, dass man CO2 einen Preis gibt, ein technologischer Schub ausgelöst wird. Die Ölpreiskrise hat uns gezeigt, was das auslösen kann. Daher finde ich es gut und richtig, dass die EnBW, der Mutterkonzern der Netze BW, sich für eine CO2-Bepreisung einsetzt. Ich glaube allerdings, für den dringend notwendigen Technologieschub reichen 10 Euro pro Tonne CO2 nicht aus. In eine Welt der Rationierung und Verbote werden uns auf der Welt nur wenige folgen wollen (zumal wir bei Tempo 130 erst einmal der Welt folgen müssten) – denn nur technische Innovation und technischer Fortschritt bringen uns in eine Situation, in der Klimaschutz und Fortschritt zusammen mit Lebensqualität in Übereinstimmung gebracht werden können. Dieser Fortschritt muss sich lohnen. Der Einstieg in eine CO2-Bepreisung ist daher gut, 10 Euro pro Tonne sind aber zu wenig.

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