Was das Murmeltier 2019 erlebte

03.03.2020 | Auch hier zu finden im Web

Markt
Operations

In meinem Artikel „Und täglich wechselt das Murmeltier“ hatte ich vor gut einem Jahr die Perspektiven für einen täglichen Versorgerwechsel im Strom- und Gasmarkt sowie die häufigsten Gründe für einen gescheiterten Versorgerwechsel dargelegt. Wie haben sich die Dinge in 2019 entwickelt?

Auf der abwicklungstechnischen Seite hat das Jahr 2019 eine ernüchternde Bilanz. Zum 1. Dezember 2019 haben die deutschen Stromversorger die „Mako 2020“ umgesetzt. Das war das branchenweite IT-Projekt, mit dem die „intelligenten Messsysteme“ ordentlich in die Abwicklung integriert werden können. „Intelligente Messsysteme“ – das ist Gesetzessprache, in der man neben den „intelligenten“ auch die „modernen Messsysteme“ kennt. Moderne Messsysteme sind der Ersatz für die bekannten schwarzen Zähler mit Räderzählwerk – jetzt dann in grau und mit digitalem Display. Wenn ein modernes Messsystem auch noch fernauslesbar ist, dann ist es intelligent (aus Sicht des Gesetzgebers). Mit der „Mako 2020“ haben wir für diese intelligenten Messsysteme jetzt einen Zustand erreicht, den wir vor der Einführung der modernen bzw. intelligenten Messsysteme schon einmal hatten: Wir können auf 15-Minuten-Basis Zählwerte erfassen und abrechnen. Die Zähler können auch sekundenscharf die Werte erfassen, allerdings dürfen die Stromversorger diese eichrechtlich nicht für die Abrechnung verwenden. Immerhin – während die alten (Industrie-) Lastgangzähler 1.000 Euro und mehr im Jahr kosten, schlagen die intelligenten Messsysteme für den Haushaltsbereich „nur“ mit bis zu 200 Euro zu Buche. Ob dies Haushalte, denen demnächst die Rechnung präsentiert wird, gnädiger stimmt, bleibt abzuwarten.

Im Strommarkt selbst ist das Wechselgeschehen in 2019 marginal unter dem des Vorjahres gewesen. Im Netzgebiet der Netze BW gab es 479.000 Wechselwünsche (Vorjahr 480.000), von diesen scheiterten 76.000 (Vorjahr 81.000). Somit wurden 403.000 Versorgerwechsel durchgeführt, fast 3.000 mehr als im Vorjahr. Die rechnerische Quote von 17 % erfolgten Versorgerwechseln ist vielleicht etwas zu hoch gegriffen, da denkbar ist, dass Kunden auch mehrfach im Jahr ihren Versorger gewechselt haben.

Die Statistik des Scheiterns zeigt ein mit dem Vorjahr vergleichbares Bild:

Die Kommunikation zwischen den Lieferanten über den Postboten Netzbetreiber scheint besser geworden zu sein. Ablehnungen, weil der bisherige Lieferant der Überzeugung ist, der Kunde dürfte aufgrund seiner vertraglichen Bedingungen gar nicht wechseln, sind um über 6.000 Fälle zurückgegangen. Lieferantenablehnungen sind aber immer noch der Hauptgrund für gescheiterte Versorgerwechsel. Und für die Netzbetreiber ist es nach wie vor ärgerlich, dass sich die Lieferanten hier hinter ihnen verstecken – nicht der bisherige Lieferant muss die Nachricht überbringen, dass der Kunde (tatsächlich oder vermeintlich) nicht wechseln darf, sondern der Netzbetreiber (ausführlicher hier).

Angestiegen sind gescheiterte Wechsel, weil die Marktlokation nicht zugeordnet werden kann. Dies ist wohl den größeren Lieferantenpleiten in 2019 geschuldet. Dabei ist der kritische Punkt der Moment, in dem der Übertragungsnetzbetreiber den Bilanzkreis, also das „Stromkonto“, stilllegt. Alle Netzbetreiber überführen dann die Kunden dieses Lieferanten in den Bilanzkreis des Grundversorgers, also des Versorgers, der per Gesetz alle Kunden nehmen muss, die keinem Bilanzkreis bzw. Stromkonto zugewiesen sind. Versucht der pleitegehende Stromlieferant in den Tagen nach diesem Ereignis selbst noch für seinen Kundenstamm einen Lieferantenwechsel durchzuführen, werden diese Wechselanträge abgelehnt, da er schon nicht mehr Lieferant dieser Kunden ist. Dies ist in 2019 öfter vorgekommen.

Den Anstieg bei den Fristüberschreitungen führe ich auf die in 2019 gestiegene Anzahl von Feiertagen zurück. Nach den Abwicklungsregeln des Strommarkts sind nämlich bei den Fristen bundesweit auch Feiertage zu beachten, die in nur einem (oder wenigen) Bundesland (Bundesländern) gelten (siehe hier). Und da konnte man 2019 schon den Überblick verlieren, da der Weltfrauentag (Berlin), der Tag der Befreiung (Berlin) und der Weltkindertag (Thüringen) dazugekommen sind. Hat vielleicht der eine oder andere Versorger erst bei der Ablehnung eines Wechselvorgangs bemerkt.

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