Von Karotten, Stöcken und Eseln

03.07.2018 | Auch hier zu finden im Web

Regulierung
Benchmark

Heute habe ich auf einer vom MIT und der University of Cambridge zusammen mit der EnBW veranstalteten Konferenz zur europäischen Energiepolitik einen Vortrag gehalten. In meinem Themenblock ging es um Netzregulierung. Der Schwerpunkt meines Vortrags waren Sticks und Carrots für Netzbetreiber im deutschen Regulierungssystem. Es wird keinen überraschen, dass ich - als Vertreter eines Netzbetreibers - wie jeder Esel mehr Sympathie für die Karotte hatte.

Es gibt viele wirtschaftswissenschaftliche Anforderungen an die positiven und negativen Impulse einer Anreizregulierung. Ein paar habe ich in meinem Vortrag aufgegriffen (auf Wunsch schicke ich meine Folien gerne zu – dazu bitte einfach eine kurze Nachricht an mich). Aber eine grundsätzliche Anforderung an den Stock möchte ich doch besonders hervorheben: Man muss verstehen können, warum der Stock einen trifft. Den Grund eine „Strafe“ zu verstehen, ist immer wichtig – nicht nur für Esel und Netzbetreiber.

Einer der größeren Stöcke des deutschen Regulierungssystems ist der Benchmark. Alle deutschen Netzbetreiber müssen sich einem Benchmark-Vergleich unterziehen, in dem ihre Kosten mit denen aller anderen deutschen Netzbetreiber verglichen werden. Ist das Ergebnis für einen Verteilnetzbetreiber A beispielsweise, dass ein anderer Netzbetreiber dieselbe Versorgungsaufgabe wie A mit 90 % der Kosten von A effizienter durchführen könnte, dann muss Netzbetreiber A seine Erlöse bis zum Ende der Regulierungsperiode um 10 % verringern. Will er also seinen Gewinn konstant halten, muss er an den Kosten arbeiten. Und da ist dann wichtig, dass er den Benchmark versteht.

Mit dem Verstehen ist das aber geregelt schwierig … . Für die Netzbetreiber war der Benchmark in den letzten Jahren eine „Black box“ – man gab seine Kosten ab und bekam ein Ergebnis zurück. Die Bundesnetzagentur hat dankenswerterweise(!) die Transparenz über die verwendeten Modelle deutlich erhöht, einfacher ist das Verstehen aber nicht geworden. Hierzu ein Beispiel:

Jeder Punkt in dem X-Y-Plot repräsentiert einen Gasnetzbetreiber. Sowohl auf der X wie auf der Y Achse sind die Effizienzwerte, die zwischen 70 % (0,7) und 100 % (1,0) variieren, abgetragen. Der Unterschied zwischen dem Benchmarkprozess hinter der Y-Achse und dem hinter der X-Achse ist der, dass ein (nur ein!) Netzbetreiber aus der Grundgesamtheit von ca. 200 Netzbetreibern entfernt wurde. Um es am Beispiel des Punktes links unten konkret zu machen: Dieser Netzbetreiber, nennen wir ihn wieder A, hatte im ursprünglichen Benchmark einen Effizienzwert von 0,7, d. h. 70 %. Nimmt man nun den einen Netzbetreiber aus dem Sample heraus, verbessert sich die Effizienz von A auf 0,82 / 82 %. Wie man sieht, verbessern sich alle Netzbetreiber massiv. Für die Akzeptanz des Benchmarks, d. h. des Stocks, stellt sich hier jetzt die Frage, ob der eine herausgenommene Netzbetreiber so massiv die Effizienzwerte aller anderen beeinflussen sollte. Dies insbesondere auch deswegen, weil dieser Netzbetreiber noch nicht einmal sonderlich effizient ist und somit also gar kein Maßstab für die anderen sein kann. Die Ausreißeranalyse ist in den aktuellen Diskussionen rund um den Stock, d. h. dem Benchmark für die dritte Regulierungsperiode, noch ein zu sehr vernachlässigtes Thema bei der Bundesnetzagentur.

Dieser Esel hier freut sich natürlich über mehr Karotten, aber wäre auch schon froh, wenn er nur den Stock besser verstehen würde. Mehr Aufwand und Aufmerksamkeit für die Ausreißeranalyse ist bei der Definition der Benchmarks für die dritte Regulierungsperiode dringend notwendig. 

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