Stadt, Land, Stromfluss – auf der Suche nach der Energiewende in Baden-Württemberg

06.06.2019 | Auch hier zu finden im Web

EEG
Energiewende

Die ersten warmen Tage im Jahr sind für die Stromnetzbetreiber mit viel Photovoltaik im Netz immer eine besondere Herausforderung. Sonne und Umgebungstemperatur sorgen für hohe Wirkungsgrade und eine kräftige PV-Erzeugung. Trifft dies zusammen mit Momenten niedriger Nachfrage, kann es sein, dass ländliche Netzgruppen beginnen, im Saldo keine Energie mehr zu verbrauchen, sondern Energie auszuspeisen. In den letzten Jahren waren derartige Bedingungen regelmäßig an Pfingsten gegeben. Dieses Jahr, mit einem vergleichsweise späten Osterfest, war schon der Ostersonntag so ein Tag. Das folgende Bild zeigt die Lastkurve der Netze BW vom 21. April (Ostersonntag):

Der „Lauf der Sonne“ ist in der Lastkurve gut (quasi „gespiegelt“) zu erkennen. Negative Werte bedeuten, dass die Netze BW keinen Strom mehr vom vorgelagerten Übertragungsnetz bezieht, sondern umgekehrt Strom an das Transportnetz abgibt. Zwischen 12:00 Uhr und 16:00 Uhr war also das Netzgebiet der Netze BW für das vorgelagerte Übertragungsnetz kein Stromverbraucher mehr, sondern ein Stromerzeuger – gewissermaßen ein sehr großes Flächenkraftwerk – mit in der Spitze über 500 MW Erzeugung.

Unser Netz unterteilt sich in neun Netzgruppen. Auffallend ist, wie unterschiedlich sich der 21. April in den einzelnen Netzgruppen darstellt. Im ländlichen Raum ist der im Vergleich zum traditionellen Lastgang „atypische“ Verlauf der Lastkurve noch ausgeprägter – so zum Beispiel in der Netzgruppe Engstlatt (der ländliche Raum südlich von Stuttgart).

Allein in diesem Netzgebiet erzeugte das „PV-Flächenkraftwerk“ in der Spitze rund doppelt so viel Strom wie im gesamten Versorgungsgebiet der Netze BW. Und dies, obwohl die Spitzenlast kaum ein Drittel der maximalen Bezugslast des gesamten Netzgebiets ausmachte. An dem Hub von (grob) 1 GW Erzeugung zu 1 GW Last binnen rund sechs Stunden zeigt sich die starke Durchdringung von Photovoltaik-Erzeugung im ländlichen Raum, und man kann erahnen, welche Herausforderungen sich hier für den Netzbetreiber stellen – wohlgemerkt: hier, in Engstlatt. Ganz anders stellt sich nämlich die Situation in der Stadt dar, wie die folgende Abbildung der Lastkurve an eben diesem Ostersonntag für das Netzgebiet Stuttgart zeigt:

Die „Höcker“ der Lastkurve werden hier von der Mittags(koch)spitze und der Abend(licht)spitze getragen und nicht von der sich im Tagesverlauf steigernden PV-Erzeugung. Der Lasttiefpunkt ist um 03:00 Uhr nachts, also komplett unabhängig von der Sonne. Letztlich ist dies ein Lastgang, wie man ihn in der Energiewirtschaft seit Jahren kennt – vor ca. 10 Jahren sah dieser auch in Engstlatt so aus. Pointiert muss man feststellen, dass die Energiewende in der Stadt bis jetzt offenkundig nicht stattfindet.

Nach meinem Eindruck liegt dies an dem einfachen Punkt, dass im dichten städtischen Raum kein Platz für neue, zusätzliche Energieanlagen ist. Der ländliche Raum ist die Stütze der Energiewende – hier stehen die Erzeugungsanlagen. Und die Netzkunden im ländlichen Raum tragen über die Netzentgelte auch die Kosten für den notwendigen Netzausbau. Die Energiewende findet im ländlichen Verteilnetz statt.

Bleiben Sie auf dem Laufenden

Tragen Sie sich jetzt in meinen Newsletter ein, um benachrichtigt zu werden, wenn ein neuer Artikel erscheint.

Sie haben eine Frage oder ein spannendes Thema?

Kontaktieren Sie mich gerne per E-Mail.