Stabile Rahmenbedingungen! Eine kleine Reflektion über eine beliebte Forderung der Energiewirtschaft (1/3)

25.03.2020 | Auch hier zu finden im Web

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Ein Flügel des Growian ist heute im Technikmuseum Sinsheim zu besichtigen

Die Energiewirtschaft ist im Umbruch. Man muss sich nur die Unternehmensentwicklung einstiger Branchenriesen wie RWE, PreussenElektra oder Bayernwerk über die letzten 20 Jahre anschauen, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie dramatisch die Umbrüche waren und sind. In diesem Wandel hat es allein die EnBW geschafft, ein vollintegriertes Geschäftsmodell erfolgreich anzupassen und über die Zeit zu bringen. Die anderen großen vollintegrierten Energieversorgungsunternehmen (EVU) „alten“ Zuschnitts, also RWE und E.ON oder Vattenfall, sind verschwunden. Insofern scheint die Zeit der klassisch voll-integrierten EVU vorbei zu sein.

Ein verlässlicher Punkt während dieser Veränderungen über die letzten Jahre war der Ruf der Branche nach „stabilen Rahmenbedingungen“. In fast jeder Debatte, zu fast jedem Anlass, in jeder Podiumsdiskussion wurde er angebracht. Klar ist: Energieinvestitionen, sei es in Kraftwerke oder auch in Transport- und Verteilnetze, sind extrem langfristig. Entsprechend nehmen stabile Rahmenbedingungen diesen Investitionen eine ganze Menge Risiko. Aber Lautstärke und Frequenz zum Trotz lohnt es sich vielleicht doch einmal nachzufragen, ob es an stabilen Rahmenbedingungen denn überhaupt gefehlt hat?

Stabile Rahmenbedingungen - der Blick zurück

Blickt man von heute auf die vergangenen 20 Jahre zurück, sind nämlich durchaus einige stabile Trends zu erkennen. Da wäre zunächst der fortlaufende und kontinuierliche Anstieg der Energieerzeugung aus erneuerbaren Anlagen. Dieser wurde getragen und befeuert von der Subventionierung aus dem Erneuerbaren Energien Gesetz (EEG). Das EEG wurde unter dem Namen „Stromeinspeisegesetz“ noch unter der Kohl-Regierung eingeführt – nicht einmal in ihrer letzten Amtszeit, sondern bereits 1990. Das erste Stromeinspeisegesetz war noch (im Vergleich zum heutigen EEG) bemerkenswert kurz, setzte aber schon klar den Rahmen: Strom aus Erneuerbaren Energien ist von dem jeweiligen Anschluss-EVU abzunehmen und wird deutlich über Marktpreis vergütet. Das Stromeinspeisegesetz wurde 2000 unter der Rot-Grünen Bundesregierung grundlegend zum Erneuerbaren Energien Gesetz (EEG) reformiert und spätestens seit dieser Reform sind die beiden Eckpunkte des Stromeinspeisegesetzes bzw. des EEG fester Bestandteil der deutschen Energiewirtschaft: Für erneuerbare Energien gibt es eine Abnahmeverpflichtung und einen Vorrang vor konventioneller Erzeugung sowie eine auskömmliche, in manchen Zeiten sehr attraktive Vergütung.

In der Neufassung des EEG im Jahr 2000 ergibt sich auch eine interessante Querverbindung zum Kernenergieausstieg, einem zweiten (weitgehend) stabilen Trend der letzten 20 Jahre. Im Stromeinspeisegesetz waren klassische Energieversorger noch von der Förderung ausgeschlossen – erneuerbare Erzeugungsanlagen, die ihnen gehörten, konnten nicht in den Genuss der Förderung kommen. Im gleichen Schritt, in dem den großen EVU die Tür zur Kernenergie verschlossen wurde, wurde ihnen die Tür zur EEG-Erzeugung geöffnet. Seit 2000 können auch EVU vom EEG geförderte Anlagen errichten.

Der Ausstieg aus der Kernenergie selbst ist eine weitere stabile Rahmenbedingung. Auch die große Rolle vor- und rückwärts vor und nach Fukushima mag zwar momentan spektakulär gewesen sein, hat aber im Ergebnis an dem grundsätzlichen Angang und, wenn auch die Abschaltdaten jetzt festgeschrieben und teilweise leicht nach vorne gezogen wurden, im Großen und Ganzen an der zeitlichen Taktung des Kernenergieausstiegs von 2000 nicht gerüttelt.

Auf der Erzeugungsseite findet sich noch eine weitere seit vielen Jahren stabile Rahmenbedingung: der CO2-Handel. Seit 2005 müssen konventionelle Erzeuger für ihre Emissionen CO2-Zertifikate vorlegen, die sie zu Beginn frei zugeteilt bekamen und seit 2013 am Markt beschaffen müssen. Der CO2-Handel ist durch Höhen und Tiefen gelaufen, die sich auch an den Preisschwankungen von 4 Euro/t CO2 bis 30 Euro/t CO2 ablesen lassen. Das Instrument an sich ist aber nahezu unverändert und inzwischen bis 2030 beschlossen. Die durchaus schwierige europäische Konsensbildung, die schon in der Vergangenheit kaum Änderungen zuließ, wird wohl auch für die Zukunft dafür sorgen, dass dieses Instrument eine hohe Stabilität in Bezug auf seine Ausgestaltung hat.

Wenn aber die Rahmenbedingungen mit EEG-Förderung, Kernenergieausstieg und CO2-Handel über die letzten 20 Jahre so stabil waren, wie begründet sich dann der fortlaufende Ruf nach ebensolchen „stabilen Rahmenbedingungen“? Die Antworten sind nicht unbedingt schmeichelhaft für die EVU.

Eine erste einfache und banale Wahrheit ist, dass die Entwicklung in Bezug auf die erneuerbaren Energien komplett falsch eingeschätzt wurde. Noch in den 1980er Jahren hatte die Branche mit dem gescheiterten Growian (der „Großen Windanlage“) „bewiesen“, dass großtechnische Windstromerzeugung nicht funktioniert. Die Erzeugung aus Photovoltaik wurde nicht ernst genommen. Die technischen Entwicklungen, die Lernkurvenfortschritte und die sich damit dramatisch verschiebenden Wirtschaftlichkeiten wurden seitens der EVU massiv unterschätzt. Der Autor war Anfang der 2000er für die Planungsprämissen des EnBW Konzerns verantwortlich und muss selbstkritisch feststellen, dass sich die Annahmen für das Wachstum der EEG-geförderten Erzeugung schon binnen kürzester Frist als komplett gegenstandslos erwiesen hatten. Und dies in einem „Prozess“, der sich jährlich wiederholte: In der Rückschau stellte man fest, dass die Annahme für das Wachstum der EEG-Erzeugung zu niedrig war, für die nächste Planungsrunde korrigierte man die Annahme nach oben, nur um ein Jahr später festzustellen, dass sich auch diese neue Annahme als zu niedrig erwiesen hatte. Diese Fehleinschätzung ist umso niederschmetternder, als sie nicht ein obskures neues Geschäftsfeld betraf, sondern den Kernmarkt und das Stammgeschäft.

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