Preise, Steuern, Abgaben, Umlagen – wie die Stromrechnung zum Risiko für die Energiewende wird

27.06.2019 | Auch hier zu finden im Web

Markt
EEG
Strompreis

Viele Energieversorger haben zum 01.01.2019 neue Preise für die Allgemeinen Stromtarife veröffentlicht (auch die EnBW, der Mutterkonzern der Netze BW). Wie jedes Jahr hat dies eine muntere Debatte über die Höhe der Strompreise ausgelöst. Während die absoluten Preise und auch ihre Bestandteile, zum Beispiel die Netzentgelte, Steuern, Umlagen und Abgaben, kontrovers diskutiert werden, taucht eine Frage nur sehr selten in den Debatten auf: Wie hoch ist eigentlich die relative Belastung für die privaten Haushalte aus der Stromrechnung?

Die Grafik beantwortet diese Frage für die sozial schwächsten Haushalte Deutschlands (definiert als die 20 % Haushalte mit dem geringsten Haushaltsnettoeinkommen). Die dicke graue Linie zeigt den relativen Anteil der Stromrechnung am Einkommen dieser Haushalte – aktuell wenden sie 6,5 % ihres Einkommens für die Stromrechnung auf.

Das ist schon recht erklecklich, heißt es doch, dass diese Haushalte über drei Wochen im Jahr nur für die Stromrechnung arbeiten (und dann ist die Wohnung noch nicht beheizt). Allerdings ist die tatsächliche Belastung aus der Energiewende noch höher. In der Stromrechnung der dicken grauen Linie ist nur der Teil der EEG-Umlage enthalten, die die Haushalte 2018 direkt über die Stromrechnung bezahlt haben, also in 2018 grob 220 € (bei 3.300 kWh Jahresverbrauch des Durchschnittshaushalts und 6,79 ct/kWh EEG-Umlage). Nicht in dieser EEG-Belastung enthalten ist derjenige Teil der EEG-Umlage, den der Haushalt über alle Konsumgüter und Dienstleistungen, die mit Strom produziert werden bzw. für die Strom benötigt wird, indirekt bezahlt hat – getrost unterstellt, dass die EEG-Umlage von allen produzierenden/dienstleistenden Betrieben weitergereicht wird. Die tatsächliche Belastung aus dem EEG ist also entsprechend höher und mit einer einfachen Gegenrechnung leicht bestimmbar: Grob 24 Mrd. € Subventionsvolumen des EEG 2018 verteilt auf 40 Mio. Haushalte ergibt ca. 600 € pro Haushalt. 220 € sieht der Haushalt direkt auf seiner Stromrechnung, weitere 380 € treffen ihn „unsichtbar“ über die Friseurrechnung, die Brötchenpreise beim Bäcker etc.; generell also über alle Dinge und Dienstleistungen, die er konsumiert. So gesehen liegt der Anteil der Stromkosten am Haushaltseinkommen des unteren Fünftels nicht bei 6,5 %, sondern bei über 9 %. Dass der Staat auf die 380 Euro auch noch Umsatzsteuer nimmt, ist dabei noch gar nicht berücksichtigt.

Die zunehmende Belastung aus der Stromversorgung paart sich in unglücklicher Weise mit dem Umstand, dass der „normale Haushalt“ Teile seiner Stromrechnung nicht mehr versteht … um einmal die mutige These in den Raum zu stellen, dass jenseits der EVU-Welt die wenigsten erklären können, wofür genau denn jetzt die AbLAV-Umlage, die Offshore-Haftungsumlage und die § 19-Umlage erhoben werden. Hinzu kommt, dass man zwar seinen Stromversorger wechseln, aber letztlich auf Strom nicht verzichten kann. So gefährdet potentiell ein Cocktail aus wachsender wirtschaftlicher Belastung, Unverständnis für die Ursachen und ein „Sich-Ausgeliefert-Fühlen“ die gesellschaftliche Akzeptanz der Energiewende.

Zusätzlich zu den 24 Mrd. € EEG-Umlage finanzieren die Stromverbraucher noch weitere 11 Mrd. € über Stromsteuer, KWKG-Umlage, § 19-Umlage, Konzessionsabgabe, Offshore-Haftungsumlage und AbLaV-Umlage – in Summe 35 Mrd. € pro Jahr. Angesichts dessen, was in der Energiewende noch vor uns liegt, wird das nicht das Ende der Fahnenstange sein. Lässt man sich von den Kriterien „Sozialverträglichkeit“ und „Verständlichkeit“ leiten, ergeben sich einige Grundgedanken für die weitere Entwicklung:

  • Weitere Kosten des Projekts „Energiewende“ sollten nicht mehr über die Strompreise finanziert werden. Ziel ist ja nicht per se „weniger Strom-“ bzw. „weniger Energieverbrauch“, sondern „weniger CO2“. Die fortlaufende Verteuerung von Strom erscheint hier nicht zielgerichtet, zumal eine wesentliche Perspektive der Energiewende ja gerade die Verlagerung hin zu mehr (erneuerbar produziertem) Strom ist.

  • Weitere Kosten der Energiewende könnten insbesondere über eine CO2-Abgabe finanziert werden, was die Finanzierung deutlich besser auf das eigentliche Ziel ausrichten würde. Mit der Einführung einer solchen Abgabe könnte sofort begonnen werden, auch bevor weitere staatlich zu finanzierende Energiewendekosten anfallen. Mit „nur“ 2,2 Mrd. € könnte man den KWK-Aufschlag, die §19 StromNEV-Umlage und die AbLaV-Umlage abschaffen (bzw. anders finanzieren) und so die Stromrechnung schon wesentlich vereinfachen.

  • Bei der zukünftigen Finanzierung der Energiewende sollte zunehmend auch auf den „normalen Bundeshaushalt“ abgestellt werden, bei dessen Finanzierung soziale Aspekte im Rahmen der Besteuerung grundsätzlich berücksichtigt werden (zentrales Beispiel ist die Einkommensteuer, die sozial schwächere Haushalte durch die Progression weniger belastet).

Die Einkommensteuererklärung auf einem Bierdeckel war seinerzeit ein prominent vorgetragenes, aber wohl kaum zu erreichendes Ziel – versuchen wir es eine Nummer kleiner mit einer Stromrechnung, die auf einen Bierdeckel passt und die man verstehen kann. Zusammen mit einer CO2-Abgabe könnte die Energiewende so auf eine verständliche und akzeptierte nachhaltige Finanzierungsbasis gestellt werden.

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