Lützerath und mein energiewirtschaftliches Jahr 2022

01.02.2023 | Auch hier zu finden im Web

Klimawandel
Energiewende
Versorgungssicherheit

Foto: Nifoto / Wikimedia Commons

Die entgleisenden Demonstrationen in #Lützerath und die ausufernde Gewalt haben mich erschreckt. Und ich wundere mich, wieso wir uns über Angriffe auf Rettungskräfte an Silvester (zurecht sehr) aufregen, aber das vorsätzliche und komplett sinnlose Gefährden von Rettungskräften durch einen Spaziergang an der Abbruchkante irgendwie als normal(?!) hinnehmen – wer soll einen im Falle des Erdrutsches unter welchen persönlichen Gefahren denn dann retten und welche wichtige Aussage für die Demonstration stand hinter diesen Spaziergängen zur Abbruchkante? Aber darum geht es mir jetzt nicht, denn ich hänge an einem anderen Querbezug der Ereignisse in Lützerath zum übrigen Geschehen – konkret zu meinen energiewirtschaftlichen Erfahrungen im Jahr 2022.

Zum einen diskutiere ich seit Monaten mit Presse und Unternehmen über die verschiedensten Facetten von #Versorgungssicherheit: Was genau ist ein kontrollierter #Brownout? Wie funktioniert die rollierende Abschaltung? Und der Klassiker, den man einfach nicht beantworten kann: Wie wahrscheinlich ist das alles? Und viele diskutieren mit Blick auf die Versorgungssicherheit tapfer über weitere #Laufzeitverlängerungen der #Kernenergie, auch wenn dies technisch annähernd unmöglich ist. Gleichzeitig wird in Lützerath für das sehr schnelle Ende von gesicherter konventioneller Erzeugung protestiert. Weil wir mit dem Umstieg auf erneuerbare Energien die ganze Braunkohle nicht mehr brauchen sollten.

Eine zentrale Erfahrung des Jahres 2022 wird dabei aus meiner Sicht völlig übersehen: Wir reden hier über komplexe technische Großanlagen, die nicht kurzfristig disponierbar sind und bei denen Entscheidungen lange Vorlaufzeiten haben. Das hat uns doch die Kernenergie 2022 sehr deutlich gezeigt. Dass der konkrete Ausstieg jetzt um ein Vierteljahr geschoben wurde, ändert nichts daran, dass der „Point of no Return“ des Ausstiegs schon weit in der Vergangenheit liegt. So engagiert manche vor dem Hintergrund der Versorgungssicherheit trotzdem über eine Laufzeitverlängerung diskutieren (besonders lustig ist das immer, wenn jemand sogar die Wiederaufnahme des Betriebs der zuletzt abgeschalteten Kernkraftwerke fordert – den Kühlturm des Kernkraftwerks Philippsburg 2 haben wir bereits gesprengt), so seltsam kommt mir die parallele Debatte rund um ein schnelle(re)s Ende der Braunkohle vor. Und neue Entscheidungen, die heute zu Garzweiler bzw. Lützerath gefordert werden, sind in gleicher Weise in ein, zwei oder drei Jahren nicht mehr so ohne Weiteres anzupassen.

Und was passiert, wenn es nicht so klappt wie vorgesehen, wir also nicht so schnell die Erneuerbaren ausbauen wie geplant? Auf den Gedanken könnte man beim aktuellen Ausbautempo der Erneuerbaren ja kommen … . Oder wenn etwas Unvorhergesehenes passiert, z. B. eine Gasleitung aus Norwegen wie die Nord Stream 1 „ausfällt“? Was dann passiert ... auch dazu haben wir Erfahrungen in 2022 gemacht: Dann kaufen wir in der ganzen Welt, etwa in Indonesien, Kolumbien oder Australien, fossile Energieträger. Wir haben dabei enorme Preise gezahlt, ein Vielfaches der Preise von vor ein oder zwei Jahren. Und warum? Ganz einfach: Weil wir es können. Lützerath würde also bleiben, aber irgendwelche kolumbianischen Dörfer gingen über die Wupper und noch mehr Regenwald verschwände. Nicht, weil das ökologisch oder sozial betrachtet das richtige Vorgehen wäre. Sondern einfach nur, weil wir wirtschaftlich potenter sind.

Denn das muss uns klar sein: Nur mit dem Ende von #Garzweiler und der Rettung von Lützerath kommen wir von den fossilen Energieträgern nicht los. Man baut keine neue Energiewirtschaft auf, indem man gegen Kernenergie, Kohle bzw. Gas ist. Man muss für Etwas sein. Und auch wenn Wind und PV keine gesicherte Erzeugung sind, so gilt weitgehend: Jede zusätzliche MWh aus einem neuen Windrad und einer PV-Anlage ist eine erzeugte fossile MWh weniger (und wie das aus meiner Sicht generell mit der gesicherten Erzeugung funktionieren kann, habe ich hier einmal dargelegt). Und bei all dem Fokus auf das Stilllegen von Kraftwerken: Worum geht es uns eigentlich? Weniger Kohlekraftwerke oder weniger Kohleverstromung. Für den Kampf gegen den Klimawandel ist Letzteres das Entscheidende bzw. reicht Letzteres aus.

Und dafür braucht es eben erneuerbare Energien und damit einhergehend auch #Netzausbau (die Energiewende findet im Verteilnetz statt). Die Zahl der Demonstrationen vor Rathäusern und Landratsämtern für Windräder und Stromnetze ist allerdings sehr überschaubar. Aber tatsächlich geht es genau darum: Konstruktiv die Energiewende umsetzen. Und was das für die Kohlekraftwerke bedeutet, zeigt auch plakativ die Vergangenheit: Die vielen(!) Kohlekraftwerke, die in den Jahren nach 2010 stillgelegt wurden, wurden von Wind und PV buchstäblich aus dem Markt gedrängt. Ihre Stilllegung geschah tatsächlich still – ohne Demos und auch ohne Zahlungen.

Und darum arbeite ich so gerne bei der EnBW: Weil wir für Etwas sind – für die Energiewende – und diese auch tatkräftig umsetzen. Das hat mir die Diskussion um Lützerath wieder vor Augen geführt. Energiewende. Sicher. Machen. 

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