Es ist kompliziert: Zur angekündigten Anpassung der Eigenkapitalverzinsung für Netzinvestitionen

12.06.2023 | Auch hier zu finden im Web

EK-Zins
Verteilnetze
Xgen
Regulierung

Im Rahmen der letzten Festlegung des Eigenkapitalzinssatzes für die Investitionen in Strom- und Gasnetze im Herbst 2021 hatte der damalige Präsident der Bundesnetzagentur Jochen Homann mehrfach zugesagt, dass sich die Behörde im Falle einer Zinswende diese Entscheidung noch einmal anschauen würde. Auch vom neuen Präsidenten Klaus Müller wurde diese Zusage bestätigt. Das Problem, dass bei einer Zinswende die damals festgelegten 5,07 % Verzinsung schnell von der Realität überholt werden könnten, wurde also damals schon gesehen.

Vor dem Hintergrund der nunmehr eingetretenen Zinswende hat die Bundesnetzagentur am 7. Juni 2023 angekündigt, dass zukünftig Neuinvestitionen einen 2 %-Punkte höheren Zins bekommen sollen. Vertrauen in den Regulierungsrahmen und die Regulierungsbehörde ist ein ganz wesentlicher Punkt für die Investitionsfähigkeit in die Strom- und Gasnetze. Insofern muss man es in der Gesamtschau zunächst einmal einfach gut finden, dass die Bundesnetzagentur sich an ihre Zusage erinnert und gehandelt hat! Das ist wichtig und das baut Vertrauen auf. Wenn man aber sich genau anschaut, was die Behörde hier jetzt konkret vorgeschlagen hat, bekommt dieses Vertrauen leider schnell ein paar Risse. Man muss aber schon in die Details und die Systematik der Regulierung einsteigen, um zu erkennen, wo diese Risse entstehen. Aber die Unternehmen und die dahinterstehenden Institutionen, die die 300 Mrd. € (400? 500?) in den Umbau unserer Infrastruktur für die Energiewende in den nächsten 20 Jahren investieren soll(t)en, schauen bei diesen Summen sehr genau in die Details und die Systematik der Regulierung.

Auf diese Risse und wo sie entstehen, will ich im Weiteren eingehen. Anschließend betrachte ich noch die angekündigten 500 Mio. € Gesamteffekt für die Netzkundinnen und -kunden, bevor ich abschließend noch einen Querbezug zum allgemeinen sektoralen Produktivitätsfaktor („Xgen“) aufzeige, einer anderen schwierigen und aktuellen Regulierungsfrage.

Immer das Kleingedruckte lesen

Die allermeisten Investitionen in Verteilnetze haben eine kaufmännische Laufzeit von 40 Jahren, über die sie abgeschrieben werden. Das ist im Vergleich mit weiten Teilen des übrigen Wirtschaftslebens ausgesprochen lang. Und Netzinvestitionen sind „gefangen“ – einmal errichtet, können sie nicht verlegt oder auch für andere Produktionsprozesse genutzt werden. Neben allen aktuellen Fragen der Regulierung ist es daher von grundsätzlicher Bedeutung, dass die Netzbetreiber auch in Zukunft ein verlässliches und ökonomisch sachgerechtes Regulierungshandeln erwarten können. Diesem Basisvertrauen kommt aktuell besonders viel Bedeutung zu, da wir mit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes eine deutlich gewachsene Unabhängigkeit der Bundesnetzagentur bekommen werden. Insofern sind Vorhersehbarkeit, ökonomische Sachrichtigkeit und Begründetheit des Regulierungshandelns aktuell von besonders hoher Bedeutung – die ersten Schritte, die die Bundesnetzagentur mit ihrer neuen Macht geht, werden dabei besonders beobachtet. Die Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes steht unmittelbar an und mit der geplanten Festlegung zur Anhebung des Eigenkapitalzinssatzes macht die Bundesnetzagentur diese ersten Schritte gleich einmal auf einem politisch sehr schwierigen Terrain.   

Mit der langen Kapitalbindung müssen die Eigenkapitalgeber sich darauf verlassen können, für die von ihnen getätigten Investitionen auch marktübliche Rückflüsse bzw. eine marktübliche Verzinsung zu erhalten. Da im regulierten Umfeld diese marktübliche Rendite, der Eigenkapitalzins, zwingend von der Regulierungsbehörde festgelegt werden muss, müssen die Investoren also darauf vertrauen, dass die Regulierungsbehörde nicht ex post, also nach getätigter Investition, die Eigenkapitalverzinsung unter das marktübliche Niveau absenkt. Dieses Versprechen der Regulierungsbehörde, nicht nachträglich die Spielregeln zu ändern, wird in der ökonomischen Theorie auch als „regulatorisches Commitment“ bezeichnet.

In ihren Eckpunkten zur neuen Eigenkapitalverzinsung erläutert die Bundesnetzagentur, dass sie den im Jahr 2021 für Strom- und Gasnetze festgelegten Eigenkapitalzins aufgrund des geänderten Zinsumfeldes um ca. 2% erhöhen möchte und dann jährlich variabel an die herrschenden Kapitalmarktzinsen anpassen will. Das Versprechen des „Handelns bei Zinswende“ wird gehalten und das ist ein wichtiger erster Punkt. Allerdings soll der an das aktuelle Marktzinsniveau angepasste Eigenkapitalzins nur auf die Neuinvestitionen und nicht auf das Bestandsvermögen und das im Bestandsvermögen gebundene Eigenkapital angewendet werden. Dies begründet die Bundesnetzagentur damit, dass das Bestandsvermögen bereits langfristig zu einem niedrigeren Zinssatz finanziert sei.

Dieser „Kniff“, den an aktuelle Zinsbedingungen angepassten EK-Zins nur auf Neuinvestitionen anzuwenden, ist sicherlich überraschend und hat zumindest bei den Netzbetreibern für Enttäuschung gesorgt. Aber natürlich gilt: Netzbetreiber sind eigentlich nie glücklich mit der Entscheidung der Bundesnetzagentur und der Präsident Klaus Müller geht sicher nicht morgens ins Büro, um die Netzbetreiber glücklich zu machen. Nicht jede Enttäuschung auf Seiten der Netzbetreiber ist also gleich ein Bruch eines Regulierungsversprechens. Ein solches liegt wohl nur dann vor, wenn (rationale) Erwartungen an die ökonomische Sachgerechtigkeit des Regulierungshandelns enttäuscht werden. Anders und konkret: Müssen Eigenkapitalgeber jetzt erwarten, keine angemessene, risikoangepasste und marktübliche Verzinsung für bereits getätigte Investitionen zu erhalten?

Und nach letztem Mittwoch scheint die Antwort leider zu lauten: Ja, das müssen sie. Zukünftig werden Neuinvestitionen mit einem anderen Eigenkapitalzins verzinst als bereits getätigte Bestandsinvestitionen, ohne dass es dafür eine ökonomische Grundlage gibt. Der einzige Unterschied zwischen Bestands- und Neuinvestitionen besteht darin, dass erstere bereits getätigt wurden und zweitere eben noch nicht. Zukünftig werden in der Logik der geplanten Festlegung nur die (noch nicht getätigten) Neuinvestitionen marktadäquat verzinst. Bestandsinvestitionen werden dagegen mit einem Zinssatz verzinst, der deutlich unter den aktuell geltenden Marktzinsen liegt. Zu beachten ist dabei: Im aktuellen Regulierungsrahmen werden nach spätestens vier Jahren alle Neuinvestitionen zu Bestandsinvestitionen. Und damit werden die Fehlanreize offensichtlich: Auch wenn man aktuell für die Neuinvestitionen den höheren (marktüblichen) Zinssatz bekommt, muss man damit rechnen, spätestens ab der nächsten Regulierungsperiode mit dem dann ermittelten Basisjahrzins wieder unter das marktübliche Niveau zu fallen.

Das Problem zeigt sich plakativ auch in dem Finanzierungsargument der Bundesnetzagentur. Von einem Finanzierer für eine Netzanlage im Jahre 2024 wird man sicherlich seltsam angesehen, wenn man als Netzbetreiber darlegt, dass man für die Jahre 2024 bis 2028 zwar einen marktüblichen Zins zahlen kann, für die Jahre 2029 bis 2043 man nach aktuellem Regulierungsrahmen aber davon ausgehen muss, nur deutlich unter Markt abliefern zu können. Auf dieser Basis wird wohl keine Finanzierung fliegen. Und wenn der Investor fragt, welche konkreten Zusagen es für eine marktübliche Rendite ab 2029 gibt, muss man als Regulierungsmanager des Netzbetreibers sachlich antworten müssen: Keine, aber die Aufspaltung in Neu- und Bestandsinvestitionen und die damit implizit in Aussicht gestellte Fortführung der bisherigen Systematik zur Eigenkapitalzinsfestlegung muss erwarten lassen, dass es nicht marktüblich sein wird.

Für die Zeit ab der nächsten Regulierungsperiode fehlt für die Neuinvestitionen, die dann zu Bestandsinvestitionen werden, jedes regulatorische Commitment. Das ist ein Problem, denn die im Jahre2024 getätigte Neuinvestition kann der Netzbetreiber nicht zurücknehmen – er kann sie nur jetzt, 2024, nicht tätigen. Dieses Risiko bzw. dieses fehlende Commitment ist kein guter Anreiz für ein Mehr an Netzinvestitionen, die wir für die Umsetzung von Energie-, Mobilitäts- und Wärmewende in den Verteilnetzen unbedingt brauchen.

Und noch ein weiterer Fehlanreiz wird mit dieser Aufteilung in Neu- und Bestandsinvestitionen gesetzt. Eine Investition im Jahre 2024 bekommt den marktüblichen Zins ja immerhin für fünf Jahre, bevor sie zur Bestandsinvestition wird und – so ist zu befürchten – auf eine Rendite unter Markt zurückfällt. Viel extremer ist das für die Neuinvestition im Jahre 2028 – diese bekommt den marktüblichen Zins nur für ihr erstes Jahr. Für Investitionen im Jahre 2028 ist der Anreiz also groß, diese um ein Jahr in die nächste Regulierungsperiode zu schieben, damit der „Neuinvestitions-Bonus“ dann maximal lang dauert. Solche jahresfokussierten Anreize, die Investitionen vor gewissen Zeitpunkten besonders unattraktiv machten, gab es früher in der Anreizregulierung, bis sie durch den Kapitalkostenabgleich beendet wurden. Wenn man sich die Zeitreihe der jährlichen Netzinvestitionen aus dieser Zeit anschaut, sieht man: Diese Anreize wirken. Für eine Energiewende, in der in den nächsten Jahren zügig die Netzinfrastruktur ausgebaut werden muss, sind solche Anreize nicht hilfreich.

Die 500 Mio. Euro Frage

Die Behörde begründet ihr Vorgehen auch damit, dass das bereits langfristig finanzierte Netzanlagevermögen nicht übermäßig vergütet werden soll. Schließlich müssen die Renditen der Netzbetreiber von Haushalten, Industrie und Gewerbe bezahlt werden und es ist die Aufgabe der Bundesnetzagentur, hier Augenmaß zu wahren. Konkrete Zahlen zur Auswirkung der Zinsanhebung fehlen jedoch. Lediglich ein Effekt von „500 Mio. Euro jährlich“ wurde auf der Pressekonferenz genannt und dann auch in den Medien berichtet.

Allerdings: Auch wenn die Berechnung der Auswirkungen kompliziert ist – sie ist keine Geheimwissenschaft. Mit der Abschätzung „0,3 % bzw. 1 Euro pro Haushalt im Jahre 2024“ hatte ich bereits eine erste Einordnung für die Netze BW GmbH gegeben. Zu beachten ist, dass sich der Effekt jährlich kumuliert (im Jahre 2025 sind es für die Netze BW GmbH also 2 Euro, 2026 dann 3 Euro und so weiter bis 2029, wo mit dem Start der nächsten Regulierungsperiode das Ganze wieder auf null gesetzt wird). Und ich habe ja nur auf die Stromnetzeinnahmen der Netze BW GmbH geschaut – hinzu kommen noch die Auswirkungen beim Übertragungsnetzbetreiber und ggf. Effekte, wenn ein Gasanschluss vorhanden ist. Insofern: Wie hoch sind die Effekte jetzt konkret in Summe?

Im Monitoringbericht der Bundesnetzagentur sind die Investitionen der Strom- und Gasnetzbetreiber (Verteilnetze und Übertragungsnetze bzw. Fernleitungsnetze) dargestellt. Danach sind für das Jahr 2022 von den Stromübertragungsnetzbetreibern Investitionen in Höhe von 5,5 Mrd. € und von den Stromverteilnetzbetreibern Investitionen in Höhe von 6 Mrd. € geplant. Wenn man davon ausgeht, dass die Investitionen für 2024 sich in einer ähnlichen Größenordnung bewegen, werden also die Kapitalkosten von ca. 11,5 Mrd. € im Kapitalkostenaufschlag für 2024 als Neuinvestitionen beantragt. Davon werden 40 % (= 4,6 Mrd. €) mit dem Zinssatz für Eigenkapital verzinst. Nur auf diese 4,6 Mrd. € wirkt sich die Zinserhöhung von 2,02 % aus. Absolut ist das also eine Zinserhöhung von 92 Mio. €. Diese geht 2024 und in allen Folgejahren der laufenden Regulierungsperiode bis 2028 zusätzlich in die Erlöse der Stromverteil- und -übertragungsnetzbetreiber ein. In 2025 gibt es dann wiederum Neuinvestitionen – nehmen wir der Einfachheit halber an, dass auch 2025 wieder 11,5 Mrd. € investiert werden. Auch diese erhalten wieder die bessere Verzinsung von 92 Mio. €, dann in den Jahren 2025, 2026, 2027 und 2028. Das gleiche Spiel wiederholt sich dann für die Investitionen in 2026 (wieder 11,5 Mrd., dann in den Erlösen für 2026, 2027 und 2028), in 2027 (2027 und 2028) und 2028 (dann nur im Jahre 2028 auch in den Erlösen). Über die 5 Jahre der Regulierungsperiode fällt der Betrag von 92 Mio. € insgesamt (5+4+3+2+1=) 15mal an, kumuliert also 1.380 Mio. €. Da wir nach einem jährlichen Effekt fragen, wären das dann im Durchschnitt 276 Mio. € pro Jahr (wissend, dass das nicht gleich verteilt ist). Für die Gasverteilnetz- und Fernleitungsnetzbetreiber ergibt sich ausgehend von einer jährlichen Investitionssumme von 1,9 Mrd. € bei analoger Vorgehensweise eine „Neuinvestitionsmehrzinsjahresscheibe“ (die deutsche Sprache ist so schön) von 15 Mio. €. Insgesamt fallen damit über die Regulierungsperiode für Gas 225 Mio. Euro an, 45 Mio. Euro pro Jahr einer Regulierungsperiode im Durchschnitt.

Diese durchschnittlichen jährlichen Zusatzerlöse für Strom und Gas mit in Summe 321 Mio. € liegen damit immer noch ein gutes Stück unter den von der Bundesnetzagentur genannten 500 Mio. €. Ein Grund hierfür kann sein, dass die Bundesnetzagentur tatsächlich von (stark) steigenden Investitionsvolumen ausgeht - in der Rechnung oben wurden diese ja konstant gehalten.

Die Beträge von 276 Mio. jährlich für Strom und 45 Mio. € für Gas sind unzweifelhaft viel Geld. Mit Blick auf das Gesamtsystem relativieren sich die Zahlen aber deutlich. Im Jahr 2022 haben die deutschen Stromnetzbetreiber (Verteil- und Übertragungsnetzbetreiber) laut Bundesnetzagentur in Summe 20,5 Mrd. Euro eingenommen (die Weiterreichung von vorgelagerten Netzentgelten bereinigt). Damit führt die vorgeschlagene EK-Zinsanpassung zu einer Netzentgelterhöhung von im jährlichen Durchschnitt ca. 1,3 % (auch das über die Regulierungsperiode ansteigend, im Jahre 2024 sind es 0,45 % Netzentgelterhöhung, in 2028 dann 2,2 %).

Bei Gas liegt die durchschnittliche jährliche Netzentgelterhöhung bei 0,64 % (45 Mio. € EK-Zins-Effekt bei 7 Mrd. € Gesamteinnahmen), steigend von 0,21 % auf 1 % im Verlauf der Regulierungsperiode.

Aktuell (laut BDEW) zahlt ein Haushalt im Durchschnitt 8,08 Ct/kWh für seine Netznutzung, beim 3.500 kWh/Jahr Durchschnittshaushalt sind das also 283 Euro/Jahr. Im Durchschnitt über die fünf Jahre der Regulierungsperiode ergibt sich also eine Erhöhung um 3,67 Euro pro Jahr (auf Basis der o. a. berechneten 1,3 %; beginnend mit 1,27 Euro im Jahre 2024, davon ungefähr die Hälfte für die Verteilnetze). Die quantitativen Effekte auf die Erlösobergrenzen bzw. die Endkundinnen und -kunden sind somit letztlich überschaubar. Für die Energiewende wurden schon deutlich größere Summen bewegt und hier geht es um die marktgängige Finanzierung der Infrastruktur, die die Umsetzung dieser Energiewende überhaupt erst möglich macht.

Es wird (noch) kompliziert(er)

Dies bringt mich noch zu einem letzten Punkt. Es ist erfreulich, dass die Bundesnetzagentur zu ihrem Versprechen steht und die geänderten Verhältnisse auf den Kapitalmärkten im Rahmen der Eigenkapitalverzinsung berücksichtigt. Die Höhe des Eigenkapitalzinssatzes (bzw. genau genommen die Entwicklung der regulatorisch festgelegten Eigenkapitalzinssätze) wirkt sich jedoch noch auf einen weiteren wesentlichen Stellhebel der Netzentgeltregulierung aus; den allgemeinen sektoralen Produktivitätsfaktor, der sogenannte Xgen. Auch der Xgen wird von der Bundesnetzagentur zu Beginn einer Regulierungsperiode für die gesamte folgende Regulierungsperiode festgelegt. Im Rahmen dieser Xgen-Festlegung soll die Entwicklung der Kosten der Netzbetreiber für die kommende Regulierungsperiode prognostiziert werden. Die Prognose wird auf der Grundlage der Produktivitäts- und Einstandspreisentwicklung der Netzbetreiber in den vergangenen Regulierungsperioden erstellt. Damit beruht diese Prognose auch auf der vergangenen Entwicklung der behördlich festgelegten Eigenkapitalverzinsung. Durch die erheblichen prozentualen Absenkungen des regulatorischen Eigenkapitalzinssatzes seit der ersten Regulierungsperiode hat dies einen spürbaren Einfluss auf die ermittelte Höhe des Xgen.

Damit wir uns richtig verstehen: Es geht nicht darum, diese Absenkung zu kritisieren – sie folgte dem Markt, die Eigenkapitalzinssätze mussten fallen. Es geht um den sachrichtigen Einbezug dieser Entwicklung in die Bestimmung des Xgen. Mit der Verwendung der (negativ verlaufenden) Entwicklung der regulatorischen Eigenkapitalzinssätze in der Xgen-Berechnung wird unterstellt, dass der Trend sinkender EK-Zinsen sich auch in der Zukunft (d. h. in der kommenden Regulierungsperiode) fortsetzen wird. Konkret hat die Vergangenheit eine Absenkung des EK-Zinssatzes von 7,91 % im Jahre 2006 auf 6,91 % im Jahre 2022 gesehen. Diese Absenkung von einem Prozentpunkt über 16 Jahre würde für die nächste Regulierungsperiode (5 Jahre) umgerechnet eine weitere Absenkung des Eigenkapitalzinssatzes um 0,31-Prozentpunkte unterstellen.

In der Logik der Xgen-Berechnung wird der sinkende EK-Zins und damit die reduzierte Eigenkapitalrendite in den Netzentgelten als Effizienzsteigerung der Netzbetreiber gewertet, die nach vorne fortgeschrieben wird. Dass es sich hier nicht um echte Effizienzsteigerungen, sondern um gesunkene Opportunitätskosten handelt, wird in der Xgen-Berechnung nicht berücksichtigt. Sehr wohl wird aber unterstellt, dass diese „gesehene Effizienzsteigerungen“ in der Zukunft fortgesetzt werden können. Die Basisannahme des Xgen –von der Vergangenheit in die Zukunft zu schließen – sollte generell immer einer sorgfältigen und kritischen Betrachtung unterzogen werden. Im Hinblick auf die EK-Verzinsung ist sie vor dem Hintergrund der Zinswende besonders grotesk.

Fazit: Nur ein erster Schritt

Vertrauen ist im Wirtschaftsleben entscheidend – und es ist vertrauensbildend, dass die Bundesnetzagentur ihr Versprechen einlöst, bei einer Zinswende auch über den festgelegten Eigenkapitalzins noch einmal nachzudenken. Bemerkenswert ist, dass die Ankündigung jetzt auf der einen Seite zwar klar anerkennt, dass der aktuell festgelegte Eigenkapitalzinssatz nicht mehr marktkonform ist (sonst würde die Bundesnetzagentur ja keine Handlungsnotwendigkeit sehen), aber von einer tatsächlichen Lösung des eigentlichen Problems zurückschreckt. Dieses eigentliche Problem ist die Berechnungsmethodik des Eigenkapitalzinssatzes, wie sie die Bundesnetzagentur in mehreren Festlegungen jetzt erarbeitet hat.

Diese Festlegungsmethodik ist unverändert. Auch die Differenzierung von Neu- und Bestandsinvestitionen löst die Probleme dieser Festlegung in keiner Weise. Denn jede Investition, auch neue Investitionen heute, ist für mindestens rund 90 % ihrer Laufzeit eine Bestandsinvestition. Der Bonus für die ersten Jahre als Neuinvestition ist gewissermaßen nur ein Lockvogelangebot – eine „Happy Hour“ bzw. ein paar wenige „Happy Years“ zu Beginn der kaufmännischen Laufzeit.

Notwendig ist eine Anpassung der Berechnungsmethodik des EK-Zinses. Diese ist auch schon deshalb angezeigt, weil die aktuelle Berechnungsmethodik methodische Fehler aufweist. Die Bundesnetzagentur ist wohl die einzige Institution, die im Rahmen eines wissenschaftlichen CAPM-Ansatzes mit zwei unterschiedlichen Zeitreihen für den risikolosen Zins arbeitet. Und eine dieser Zeitreihen ist inhaltlich in ihrer internationalen Zusammenstellung nicht nachvollziehbar, wenn Länder wie Schweiz und Belgien die gleiche Gewichtung haben wie die USA oder Deutschland. Die Bundesnetzagentur hat in der Vergangenheit ihr Vorgehen insbesondere mit den gesetzlichen Vorgaben begründet. Warum sie jetzt, wo sie das erste Mal ihren neuen rechtlichen Rahmen austestet, mit so einem tiefen Systemeinschnitt wie der Differenzierung in Alt- und Neuanlagen und nicht mit der Heilung offensichtlicher sachlicher Fehler in den Verordnungen beginnt, bleibt vorerst ihr Geheimnis. Geheimnisse sind aber nicht gut, wenn es um Vertrauen geht.

PS: Ein paar Schlussbemerkungen

Wir werden in dieser Diskussion mit den Betroffenheiten leben müssen. Genauso wenig, wie die Bundesnetzagentur verbindlich Regeln versprechen kann (der, der die Regeln macht, kann sie auch immer ändern), genauso wenig kann sich ein Netzbetreiber ohne eigene Betroffenheit inhaltlich äußern. Wer also gleich überall Parteimeinungen sieht, hat Recht, wird aber keine Diskussion hinbekommen.

Die Kritik an der aktuellen EK-Zins-Berechnungsmethode habe ich hier in zwei Artikeln dargelegt:

https://www.linkedin.com/pulse/vom-%C3%BCberraschungsei-im-ek-zins-omelett-christoph-m%C3%BCller/

https://www.linkedin.com/pulse/die-schiefe-ebene-der-eigenkapitalzinsfestlegung-f%C3%BCr-vierte-m%C3%BCller/

Und da in der aktuellen Debatte rund um die EK-Zinsfestlegung oft auch die über die letzten Jahre steigenden Netzentgelte angeführt werden, hier noch drei Artikel, warum Netzentgelte steigen. Es hat ziemlich wenig mit den konkreten Netzinvestitionen zu tun – das mag für die EK-Zinsdebatte erhellend sein, mit Blick auf die Energiewende ist es eher bedenklich.

https://www.linkedin.com/pulse/warum-die-netzentgelte-steigen-christoph-m%C3%BCller/

https://www.linkedin.com/pulse/kleine-betrachtung-zur-h%C3%B6he-der-netzentgelte-christoph-m%C3%BCller/

https://www.linkedin.com/pulse/die-netzentgelte-steigen-warum-eigentlich-christoph-m%C3%BCller/

Und wenn Sie bis hierin durchgehalten haben: Danke für Ihr Interesse!

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