Eine Lanze für den Gasmarkt und die Gasmarktpreise

22.09.2022 | Auch hier zu finden im Web

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In den aktuellen Debatten rund um die hohen Preise im Gasmarkt wird oft nach einer Gaspreisbremse gerufen. Wenn diese Rufe dann ins Polemische abdriften, geht das oft mit einer Thematisierung übergroßer Gewinne der Gaserzeuger einher, die dann als „Windfall Profits“ angesehen werden und deren Abschöpfung gefordert wird.

Ich glaube, das greift zu kurz. Ich bin überzeugt, dass auf der Anbieterseite auf dem Gasmarkt auch Industrieunternehmen sind, die feste Bezugsverträge für das laufende Jahr hatten bzw. haben und jetzt in der aktuellen angespannten Versorgungslage Einsparmaßnahmen umsetzen. Im besseren Fall sind das technische Anpassungen, im schlechteren Fall Produktionsrücknahmen. Diese Unternehmen können ihre gekauften und so „freigespülten“ Gasmengen dann auf dem Markt verkaufen. Hohe Gaspreise finanzieren damit bei diesen Unternehmen die Einsparanstrengungen oder sind im Zweifel die Möglichkeit, Produktionsausfälle wirtschaftlich zu überleben, weil man mit den hohen Erlösen aus dem Verkauf der Gasmengen vielleicht noch über die Zeit kommt.

In diesen Bereichen hätten Höchstpreise für Gas also durchaus Kollateralschäden für Industriekunden, die auf diese Einnahmen gebaut haben. Soweit ich weiß, sind keine öffentlichen Daten verfügbar, die den Umfang dieser Industrierückverkäufe aufzeigen. Nach dem täglichen Bericht der Bundesnetzagentur zur Gasversorgungslage sind die Gasverbräuche der Industrie um rund 10 % zurückgegangen, in den letzten beiden Monaten sogar um 20 %. Diese Gasmengen waren ja wirtschaftlich eingeplant – ihre Rücknahmen bzw. Rückabwicklung hat wirtschaftliche Effekte, eben und gerade auch im und über den Markt.

Mir geht es hier jetzt jedoch nicht um eine Argumentationskette, mit der sich Gasproduzenten mit ihren Marktgewinnen hinter Industrieunternehmen verstecken, die in ihrer aktuellen Versorgungsnot Schadensreduzierung über den Gasmarkt versuchen. Mir geht es darum, auf eine Grundfunktion von Markt hinzuweisen: Die effiziente Allokation. Denn Preisobergrenzen lösen ja nicht unser aktuelles Problem: Dass mit den wechselseitigen Sanktionen nach dem russischen Überfall auf die Ukraine Russland die Gaslieferungen eingestellt hat. Eine Preisobergrenze bringt nicht mehr Gas in das Gasversorgungssystem (Gas-rückverkaufende Industrieunternehmen machen immerhin Gasmengen wieder verfügbar). Deshalb müssen wir, wenn wir den Markt als Allokationsmechanismus ausschalten, auf eine andere Art der Rationierung umsteigen, um den aktuellen Gasmangel zu verwalten (und “verwalten“ ist dann wohl das richtige Wort). Insofern: Mutige vor, wer dann die Zuteilung des Gases in der Volkswirtschaft übernehmen will…

Bei dieser Betrachtung des Marktes sollte man dann allerdings doch nur sehr kurz springen: Der Markt führt die schwierige, diffizile und sonst wohl kaum lösbare Aufgabe einer effizienten Allokation des viel zu knappen Gutes Gas durch. Mehr nicht! Das bedeutet in keinem Fall, dass damit dann alle Probleme gelöst sind – weit gefehlt und so fühlt es sich zurzeit ja auch nicht an. Die Frage, wie wir mit den Folgen dieser Marktallokation umgehen, stellt sich offensichtlich. Wie unterstützen wir Haushalte, die diese Preise einfach nicht mehr zahlen können? Was machen wir mit Unternehmen, die von den Gaspreisen an den Rand des Ruins oder über diesen Rand hinaus getrieben werden?

Aber gerade bei Industrieunternehmen wird deutlich, dass eine Preisobergrenze diese Probleme nicht löst. Denn einem gasabhängigen Unternehmen droht der wirtschaftliche Untergang, egal ob es die hohen Gaspreise nicht mehr bezahlen kann oder es von der zentralen Mangelverwaltung kein Gas zugeteilt bekommen hat. Ein hoher Gaspreis gibt die maximalen Anreize für mehr Einsparbemühungen und mehr gelieferte Fördermengen. Ich hoffe sehr, dass wir den Punkt, dass auch der Markt die Verteilung nicht mehr löst, nicht erreichen werden.

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