Die Netzentgeltkalkulation, das deutsche Kochverhalten und was das alles mit dem Konzessionswettbewerb zu tun hat

21.06.2021 | Auch hier zu finden im Web

Verteilnetze
Netzentgelte

Jedes Jahr im Herbst veröffentlichen die deutschen Netzbetreiber die vorläufigen Netzentgelte, die dann meistens ohne größere Anpassungen zum 1. Januar in das finale Preisblatt münden. Für die Netzentgeltkalkulation sind die Stromnetzbetreiber an die Vorgaben aus der Stromnetzentgeltverordnung, kurz StromNEV, gebunden. Allerdings verbleibt den Netzbetreibern für die Kalkulation der Haushaltsnetzentgelte ein Interpretationsspielraum. Denn im Gegensatz zu den größeren Kunden mit Lastgangmessung (1/4-stündliche Messwerte), liegt bei den Haushaltskunden für die Abrechnung nur der Gesamtjahresverbrauch und nicht der maximale Leistungsbezug vor. Um also den Leistungs- und Arbeitspreis des „klassischen“ Niederspannungsnetzentgelts in ein Netzentgelt für die Haushaltskunden mit einem (leistungsunabhängigen) Grund- und Arbeitspreis umrechnen zu können, muss im Zuge der Netzentgeltkalkulation eine Annahme über die Jahreshöchstleistung der Haushaltskunden getroffen werden. Es gilt: Je niedriger diese Annahme ausfällt, umso günstiger werden die Haushaltskundennetzentgelte.

Dieser Spielraum wird von Teilen der deutschen Netzbetreiber offensichtlich genutzt. Die Kalkulationsdaten sind zwar nicht öffentlich, die unterstellten Annahmen können jedoch mithilfe der veröffentlichten Netzentgelte näherungsweise zurückgerechnet werden. Die Ergebnisse sind aufschlussreich: Zum einen gibt es eine sehr große Bandbreite bei der unterstellen Jahreshöchstleistung für Haushaltskunden zwischen den Netzbetreibern, obwohl es sich um das gleiche Kundensegment handelt. Nach der StromNEV sollte die Überführung der Leistungs- und Arbeitspreise der echt gemessenen Niederspannungskunden in Grund- und Arbeitspreise für Lastprofilkunden wie private Haushalte nach energiewirtschaftlichen Kriterien erfolgen. Das ist zugegeben ein dehnbarer Maßstab und könnte noch erklären, warum einzelne Netzbetreiber deutlich unterschiedliche Ansätze fahren. Zum anderen haben aber manche Netzbetreiber seit 2009 sehr deutlich die Jahreshöchstleistung für die Haushaltskunden im Rahmen der Netzentgeltkalkulation gesenkt. Dies ist letztlich wohl nur über Annahmen von deutlich unterschiedlichem Kochverhalten o. ä. zu erklären. Bis man mich überzeugt, dass man in Südbaden nur noch mit einer Herdplatte kocht, liegt für mich die Vermutung näher, dass hier nicht immer der Rahmen energiewirtschaftlicher Kriterien gehalten wurde.

Problematisch ist dieses sehr unterschiedliche Vorgehen insbesondere dann, wenn Netzentgelte für andere Zwecke als Vergleichskriterium herangezogen werden. Dies ist beispielsweise in den Konzessionsverfahren der Fall. Hier dienen Netzentgelte, insbesondere die Haushaltsnetzentgelte, häufig als Kriterium für die Preisgünstigkeit. Man kann und muss sich daher die Frage stellen, inwieweit Netzbetreiber aktiv ihre Haushaltskundennetzentgelte „steuern“, um im Konzessionswettbewerb einen Vorteil zu erlangen. Die Daten legen diesen Verdacht zumindest nahe. Für mich ein Beleg, dass mit dem Kriterium der Preisgünstigkeit in Konzessionsverfahren sehr umsichtig umgegangen werden sollte. Das Verhalten hat aber auch Auswirkungen auf andere Kundengruppen – es wird immer eine definierte sogenannte Erlösobergrenze aufgeteilt, d. h. ein definiertes Umsatzvolumen aus dem Netzgeschäft. Ein Euro weniger in einer Kundengruppe, zum Beispiel wegen geänderten Kochverhalten, bedeutet ein Euro mehr für eine andere Kundengruppe. Angesichts dieser Auswirkungen wäre vielleicht auch ein prüfender Blick der Regulierungsbehörden angezeigt.

Mathias Gabel vom Regulierungsmanagement hat das Thema in einem Artikel für die Energiewirtschaftlichen Tagesfragen aufgearbeitet. Der Artikel „Netzentgelte und Konzessionswettbewerb: Eine Verknüpfung mit Folgen für die Netzkunden?“ findet sich hier.

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