Das Oktoberfest der Stromwirtschaft oder: Wie viele kWh kriegt man für eine Maß?

11.09.2018 | Auch hier zu finden im Web

Strompreis

Der Oktober ist in der Stromwirtschaft die Zeit der Preisveröffentlichungen. Bis zum 15. Oktober müssen alle Netzentgelte für das nächste Jahr vorliegen. Da die kleineren Netzbetreiber die Netzentgelte der vorgelagerten Netzbetreiber brauchen, um ihre eigenen zu berechnen, beginnen so ab Ende September die Veröffentlichungen der neuen Preise. Zunächst die Übertragungsnetzbetreiber, dann die Netzbetreiber mit einer 110-kV-Netzebene und dann immer so weiter bis am 15. Oktober die Netzentgelte aller rund 900 Netzbetreiber bekannt sind. Gewissermaßen als krönender Abschluss veröffentlichen die Übertragungsnetzbetreiber am 15. Oktober dann auch noch die EEG- und am 25. Oktober die KWKG-Umlage für das nächste Jahr. Damit ist dann auch die Diskussion um steigende Strompreise und die steigende Abgabenlast eröffnet.

In einer Parallelwelt, die zunächst wenig mit der Stromwirtschaft zu tun hat, kommt es mit der gleichen schönen Regelmäßigkeit im Oktober ebenfalls zu einer Preisdebatte: Auch dieses Jahr ist wohl damit zu rechnen, dass die Maß auf dem Münchner Oktoberfest wieder im Preis steigen wird, was auch dieses Jahr die Gemüter erzürnen wird. Aber setzen wir die beiden Preisdebatten doch einmal jenseits der Wiesenstammtische, an denen über beides geschimpft wird, in Beziehung.

Die u.a. Abbildung tut genau das – sie gibt den Strompreis nicht mehr in ct/kWh, sondern in der Menge (Oktoberfest-)Bier je Kilowattstunde an (also in ml/kWh).

Wie man sieht ist Strom, gemessen in der härtesten Währung des Münchner Oktobers, in den Jahren 1972 bis 2000 kontinuierlich billiger geworden. Seit 2000 steigt der „Bierstrompreis“ wieder leicht an, erreicht aber noch lange nicht die Höhen der 1970er Jahre und ist über die jüngste Vergangenheit auch wieder leicht gefallen – die Kilowattstunde notiert zurzeit bei 26 Milliliter Bier.

Zugegeben ist das in Bezug setzen von Strom- und Bierpreisen vielleicht nicht die zwingendste Logik, sich der Frage der realwirtschaftlichen Strompreisentwicklung zu nähern (auch wenn es sich immerhin um zwei homogene und seit Jahrzehnten unveränderte Produkte handelt). Sinnvoller ist da schon der Bezug zur Lohnentwicklung. Die nächste Abbildung nimmt diese Betrachtung vor – Strom wird hier nicht mehr in Biermenge, sondern in Minuten Arbeitszeit gemessen.

Auch hier zeigt sich der „Preis“-Verfall der Jahre 1972 bis 2000. Musste der deutsche Durchschnittsverdiener 1972 noch 1 Minute und 13 Sekunden für eine Kilowattstunde arbeiten, so reichten im Jahr 2000 schon 38 Sekunden. Auch im ausgehenden letzten Jahrhundert gab es massive Strompreisdebatten, die schließlich auch ein Grund für die Liberalisierungsanstrengungen waren. Betrachtet man die Strompreise real auf Basis der Durchschnittslöhne, sind diese Debatten nicht mehr ganz nachzuvollziehen. Strom wurde bis 2000 dramatisch günstiger.

Bei der Strompreisbetrachtung auf Arbeitsmengen-Basis ist der Anstieg nach 2000 im Gegensatz zu Oktoberfestbier-Basis noch ausgeprägter. Aktuell muss durchschnittlich fast eine Minute für eine Kilowattstunde gearbeitet werden. Grund für den Anstieg sind vor allem die umfangreich nach 2000 neu eingeführten und stetig steigenden Steuern und Abgaben (Stromsteuer, EEG-Umlage, KWKG-Umlage, etc.pp.). Aktuell sind etwas über 50% des Strompreises Steuern, Abgaben und Umlagen – d.h. je Kilowattstunde arbeitet man 30 Sekunden für die Stromwirtschaft und 30 Sekunden für den Staat – für einen normalen Haushalt sind das übers Jahr jeweils rund drei Arbeitstage. In diesem Sinne: Frohes Schaffen!

PS.: Wer von sinnfreien Bier-Strom-Vergleichen noch nicht genug hat: Bei 11,10 Euro und 430 Kilokalorien je Maß ergibt sich ein Energiepreis des Bieres von rund 22,20 Euro/kWh.

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