Das 3 x 1 der Marktrisiken und wie der Markt es regelt

19.04.2022 | Auch hier zu finden im Web

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Foto: VNG AG / Torsten Proß, Jeibmann Photografik

Ein möglicher Lieferstopp russischen Erdgases wird in der Politik, in der (Energie-)Wirtschaft und allgemein in der Öffentlichkeit breit diskutiert. Vor ca. einem Monat hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz die Frühwarnstufe in Bezug auf eine Gasmangellage ausgerufen. Bei aller Unsicherheit, was so ein Ausfall der russischen Gaslieferungen energiewirtschaftlich auslösen würde – massivste Marktverwerfungen sind sicher. Um ein grundsätzliches Verständnis dafür zu bekommen, wie diese wirken würden, hilft es, sich einmal die Grundlagen des Managements der klassischen Marktrisiken vor Augen zu führen um darauf aufbauend zu überlegen, wie und wo der Lieferstopp dann Wirkung entfaltet. Dies möchte ich im Weiteren ausführen, allerdings zwei Vorbemerkungen setzen:

  1. Es geht um Verständnis für Marktwirkungszusammenhänge.

    Die Frage eines Lieferstopps russischen Erdgases ist eine politische und eine sehr schwere Entscheidung (die uns vielleicht ja auch von Putin abgenommen wird). Die Abwägung zwischen der Hoffnung auf ein schnelleres Ende des menschlichen Leids im Zuge des russischen Überfalls auf die Ukraine und den massiven Risiken für die Volkswirtschaft und unser Zusammenleben in Deutschland ist nicht Gegenstand meiner Betrachtung.

  2. Wir betreten mit einem Lieferstopp unbekanntes Land.

    Man kann überlegen, wie die Mechanismen des Marktes im Falle eines Lieferstopps wirken werden. Wichtig ist aber, dass die diese Mechanismen bildenden Marktregeln für die sich denkbarer Weise entwickelnde Situation noch nie getestet wurden. Ich kenne auch keine Risikostudie der letzten 20 Jahre, die einen dauerhaften Komplettausfall der Gaslieferungen aus Russland zum Gegenstand hatte – heißt: Wir alle stochern im Nebel. Wenn Sie diese/einzelnen Punkte anders sehen oder Hinweise haben – die Kommentarfunktion eignet sich dafür wunderbar.

Letzter Punkt: Vom Adressatenkreis richte ich mich an Leserinnen und Leser, die nicht tagtäglich im Energiemarkt arbeiten. Wenn Sie wissen, wie ein Margin-Call funktioniert, ist der Artikel vielleicht für Sie in Teilen zu banal.

Das 3 x 1 der Marktrisiken

Stellen Sie sich vor, Sie sind Geschäftsführerin bzw. Geschäftsführer von einem Stadtwerk. Rund die Hälfte der Menschen Ihrer Stadt haben eine Gasheizung. Da Sie in den letzten Jahren Ihren Job ordentlich gemacht haben, sind diese auch noch fast alle Kundinnen und Kunden bei Ihnen (u. a. auch weil ein guter Teil der Kundinnen und Kunden, die in den letzten Jahren zu einem Energiediscounter gegangen sind, Ende letzten Jahres zurückgekommen sind … aber das ist ein anderes Kapitel dieser ganzen Geschichten). Und für einen Moment stellen wir uns auch noch vor, dass es die ganze grausame Geschichte nicht gibt, d. h. Russland liefert weiterhin verlässlich Gas.

Trotzdem müssen Sie in Ihrer Verantwortung nun eine Entscheidung treffen. Wie decken Sie die Versorgung Ihrer Kundinnen und Kunden im nächsten Jahr? Sie könnten einfach nichts machen und den jeweiligen Gasabsatz dann immer kurzfristig an den Märkten beschaffen – zu den Preisen, die sich dann am Markt bilden. Das kann gut gehen und man kann auf günstige Preise hoffen. Diese Strategie hat in den letzten Jahren auch ganz gut funktioniert – aber: Sie haben ein Ergebnisrisiko. Unter Umständen sind die kurzfristigen Preise dann doch höher oder einfach sehr hoch und da Ihre Kundinnen und Kunden sicher auch dann Gas abnehmen werden, wird Ihnen eine Hochpreisphase sicher Ergebnisprobleme machen. Kurzfristig können Sie die Preise nicht an Ihre Kundschaft weiterreichen.

Das Ergebnisrisiko können Sie vermeiden, indem Sie heute schon das Gas „auf Termin“ für das nächste Jahr beschaffen. Sie machen also heute einen Vertrag mit einem Lieferanten, der Ihnen im nächsten Jahr zu einem heute vereinbarten Preis das Gas liefert. Dann können die kurzfristigen Preise im nächsten Jahr sein, wie sie wollen, denn Sie haben einen von den kurzfristigen Preisbewegungen unabhängigen und fixen Vertragspreis und sind insofern abgesichert (Händler-Denglisch: Sie sind gehedged). Natürlich profitieren Sie auch nicht mehr von niedrigen Preisen am Spotmarkt im nächsten Jahr – ohne Risiko auch keine Chance.

Weil Sie Ihrer Gemeinde eine sichere Ausschüttung für den Gemeindehaushalt zusagen und entsprechend Ergebnisrisiken vermeiden wollen, schließen Sie also im April einen Gasliefervertrag für das nächste Jahr ab – sagen wir zu 25 Euro/MWh. In den folgenden Monaten Mai und Juni steigt der Preis für im nächsten Jahr geliefertes Gas auf 35 Euro/MWh. An sich kann Ihnen das egal sein, denn Sie haben ja schon einen Liefervertrag mit vertraglich vereinbartem Preis. Nur … sollte jetzt Ihr Lieferant, aus welchen Gründen auch immer, Pleite gehen, haben Sie einen Schaden: Mit der Pleite wäre auch Ihr Liefervertrag kaputt und einen neuen Liefervertrag gibt es nur zu 35 Euro/MWh … . Auch wenn Sie es nie vorhatten: Durch die Marktpreisbewegung ist eine Situation entstanden, als hätten Sie Ihrem Lieferanten 10 Euro/MWh geliehen (bei einmal angenommener 1 TWh/a Endkundenabnahme – typisch für eine Kommune mit vielleicht 75.000 Einwohnerinnen und Einwohnern – sind das 10 Mio. €). Aus dem Ergebnisrisiko ist durch den Termineinkauf ein Kreditrisiko geworden.

Wenn Sie auch dieses Risiko nicht wollen, müssten Sie mit Ihrem Lieferanten ein sogenanntes Margening vereinbaren. Bei Margening werden die Kreditrisiken durch Hinterlegungen von Barbeträgen abgesichert. Konkret in der obigen Situation: Der Lieferant würde Ihnen 10 Euro/MWh in bar als Sicherheit hinterlegen (bei der 1 TWh/a Endkundenabnahme wäre das dann eine Sicherheitszahlung von 10 Mio. € „cash“). Geht der Lieferant pleite, müssen Sie sich zu 35 Euro/MWh „neu eindecken“. Das wäre dann aber kein Problem – Sie haben ja die 10 Euro/MWh Sicherheitsleistung und damit kostet Sie der neue Vertrag unterm Strich genauso viel wie der alte, nämlich eben 25 Euro/MWh. Nur: Margening geht typischerweise in beide Richtungen. Fällt der Gaspreis also auf 20 Euro/MWh, dann hat ja der Lieferant ein Kreditrisiko gegenüber Ihnen und entsprechend müssen Sie 5 Euro/MWh als Sicherheit beim Lieferant hinterlegen („cash“). Geht der Gasvertrag dann im nächsten Jahr in die tatsächliche Belieferung, werden die Sicherheitsleistungen sukzessive angerechnet bzw. zurückbezahlt. Tatsächlich wird im Rahmen einer Margening-Vereinbarung täglich abgeglichen, welche Sicherheitsleistungen zu hinterlegen oder zurückzuzahlen sind. Das kann zu erheblichen Summen führen, die sehr kurzfristig finanziell aufzubringen sind – das Kreditrisiko ist also in ein Liquiditätsrisiko umgewandelt worden.

Wenn Sie auch dieses Liquiditätsrisiko nicht tragen wollen, dann müssen Sie ganz von einer Terminbeschaffung Ihres Gasabsatzes absehen und entsprechend dann doch das Ergebnisrisiko tragen. Und im Kern ist das das ganze Geheimnis des Risikomanagements im Handel (und warum es wirklich „Management“ ist): Welche Kombination von Ergebnisrisiko, Kreditrisiko und Liquiditätsrisiko nehmen Sie? Die einzige Möglichkeit, diese Risiken zu vermeiden, wäre aus dem Gasliefergeschäft auszusteigen, was für ein Stadtwerk mit Versorgungsauftrag wohl keine Option ist – eine Gewichtung der drei Risiken muss man also wählen.

Wie der Markt das regelt

Was passiert, wenn ein Gasversorger in Schieflage gerät, lässt sich auch anhand dieser drei Kernrisiken durchdenken. Es kam und kommt auch in „normalen“ Zeiten immer mal wieder vor, dass ein Gasversorger seinen Betrieb einstellen muss. Die allgemeine Aufregung ist dann häufig groß – an den Märkten wird so ein Versorgerausfall aber meist zügig abgewickelt. Typischerweise hatte der ausgefallene Gasversorger, nennen wir ihn „Pleitio“, drei Arten von Vertragspartnern – die Börse, andere Gasversorger und eben echte Endkundinnen und -kunden.

Für die Börse ist die Lage einfach. Die Börse schließt ja für jedes Kaufgeschäft immer gleichzeitig ein Gegenverkaufsgeschäft ab. Die Verträge mit der Börse haben dabei immer ein Margening. Da, wo Pleitio eine Seite dieser Paarung hatte, müssen die jetzt ausgefallenen Verträge am Markt von der Börse neu abgeschlossen werden. Wirtschaftlich ist das kein Problem, da die Börse durch Einsatz der Margening-Sicherheitsleistung unterm Strich auf jeden Fall wieder den Vertragspreis der ausgefallenen Verträge mit Pleitio erreicht. In gleicher Weise sind auch alle anderen Gasversorgerkunden entspannt, die Lieferverträge mit Margening-Zahlungen hatten. Auch sie können schadlos ihre Gasverträge am Markt wiederbeschaffen.

Ein Problem haben die Gasversorger, die bewusst (… oder unbewusst …) das Kreditrisiko gegenüber Pleitio genommen haben. Sie haben unter Umständen erhebliche Kosten, um die Mengen der jetzt gegenstandslos gewordenen Gasverträge am Markt wiederzubeschaffen. Hier schlägt das Kreditrisiko also voll zu. Um einmal die Größenordnungen zu bekommen: Wurden die oben schon angeführten 1 TWh/a Jahresverbrauch der Stadtwerke-Endkundinnen und -kunden noch vor den ganzen Preisverwerfungen im Jahr 2021 langfristig für 2023 beschafft, konnte damals ein Preis von vielleicht 25 Euro/MWh erzielt werden. War dies ein Vertrag mit Pleitio, dann ist dieser Vertrag hinfällig und das Stadtwerk muss den Gasabsatz jetzt („heute“) neu eindecken. Beim aktuellen Preisniveau von ca. 80 Euro/MWh fallen dafür Mehrkosten von rund 55 Mio. € an! Im Haushaltsbereich kann man versuchen, den Allgemeinen Tarif anzupassen (wobei das auch auf eine Preiserhöhung von rund 800 Euro/Jahr pro Kundin bzw. Kunde hinausläuft …). Aber im Sonderkundenbereich, d. h. insbesondere bei Industriekunden, sind die Preise in der Regel fix vereinbart, so dass sich bei weitem nicht alles der 55 Mio. € weitergeben lässt. In einem angespannten Marktumfeld kann also der Ausfall eines Gasversorgers unter Umständen weitere Gasversorger in eine Schieflage bringen (für das typische 75.000-Einwohnerinnen/Einwohner-Stadtwerk können die hier aufgezeigten Größenordnungen durchaus existenziell werden).

Die finanzielle Welt gerät an ihre physikalischen Grenzen, wenn es an die Endkundenversorgung geht. Die Endkundinnen und Endkunden erhalten die Information, dass ihr Versorger Pleitio Pleite gegangen ist und entsprechend ausfällt. Privathaushalte werden dann vom „Grundversorger“ übernommen, bekommen also automatisch einen neuen Lieferanten zugeordnet und damit auch einen neuen Liefervertrag. Dies führt im aktuellen Marktumfeld zu Problemen bei dem Grundversorger – der muss jetzt die Absatzmengen der ihm überraschend zugeordneten Kundinnen und Kunden kurzfristig am Markt nachbeschaffen… und das bei den aktuellen Preisen.

Bei großen Industriekunden ist das nicht so – sie müssen sich selbst um einen neuen Lieferanten bemühen. Tut dies ein Unternehmen nicht oder findet es keinen neuen Lieferanten, z. B. weil es sich mit einem neuen Lieferanten nicht über die neuen Gaspreise einigen kann, fällt letztlich dem lokalen Gasnetzbetreiber die Verantwortung zu, diesen Industriekunden tatsächlich physisch vom Netz zu nehmen. In meiner Praxis ist dies noch nie vorgekommen – sobald die Unternehmen verstanden haben, dass dies die gesetzliche Pflicht des Gasnetzbetreibers ist und man ihnen erklärt, dass man als Netzbetreiber am Ende tatsächlich dieser Pflicht auch nachzukommen gedenkt, schließen die Industriekunden in der Regel einen Liefervertrag ab. Aber tatsächlich ist das System so organisiert, dass ein Industriekunde ohne Lieferant dann auch nichts mehr geliefert bekommt. Das klingt bei nüchterner Betrachtung logisch, ist im wahren Leben aber ein reichlich emotionaler und auch politischer Prozess – es geht schnell um die Existenz der betroffenen Unternehmen und damit auch um Arbeitsplätze.

Es gibt also Prozesse, wie mit der Pleite eines Gasversorgers umgegangen wird. Allerdings geht so ein Vorgang nicht an allen Vertragspartnern und Kundinnen und Kunden des ausgefallenen Gasversorgers spurlos vorbei. Und je größer die Preisbewegungen der letzten Zeit waren, desto größer sind unter Umständen diese Spuren. Die Marktbewegungen der letzten Monate waren die heftigsten seit mehreren Jahrzehnten. Entsprechend muss damit gerechnet werden, dass, wenn jetzt ein Gasversorger ausfällt, aus den Spuren schnell breite Schneisen werden.

Wenn der Markt es nicht mehr regelt

Einigkeit besteht, dass bei einem Ausfall der russischen Gaslieferungen die noch verfügbaren Gasmengen noch für den Sommer und den Herbst, aber nicht mehr für den nächsten Winter reichen. An sich sollte das aus meiner Sicht zu einer sofortigen Mangelbewirtschaftung führen – wollen wir noch Gas an eine Bonbonfabrik im Mai liefern, das uns dann im Winter für ein Krankenhaus fehlt?! Unterstellt, diese sofortige Mangelbewirtschaftung von staatlicher Seite tritt nicht ein – wie könnte es dann bei einem Ausfall der Gaslieferungen aus Russland weitergehen?

Grundsätzlich kommt diese zeitlich übergreifende Mangelbewirtschaftung auch vom Markt. Zunächst ist zu erwarten, dass die Terminpreise für das Jahr 2023 in die Höhe schnellen – letztlich fast ungebremst, denn das Angebot reicht nicht aus, um die Nachfrage zu bedienen, so die einhellige Sicht aller Analysen zu diesem Punkt. Da Gas grundsätzlich speicherbar ist, setzt sich dieser Preisanstieg auch in die Zeiträume vor dem Winter fort. Einfach gesprochen gilt in einem Marktumfeld/-gleichgewicht, dass der Preis für Gas „heute“ plus die Kosten für die Speicherung gleich dem Preis „morgen“ sein muss bzw. umgekehrt: Preis für Gas „morgen“ minus die Speicherkosten ist gleich dem Preis „heute“. Da die Kosten für die Ein- und Ausspeicherung vergleichsweise fix sind, zieht also ein steigender Gaspreis für 2023 die Gaspreise für das Restjahr 2022 mit hoch.

Der zu erwartende flächendeckende extreme Preisanstieg erhöht die Margening-Verpflichtungen, d. h. sie lösen sogenannte Margin-Calls aus. Alle Verkäufer von Gas müssen bei steigendem Gaspreis Sicherheiten hinterlegen, sofern sie über Verträge mit Margening verkauft haben. Das ist immer bei Verkäufen an die Energiebörsen wie der EEX der Fall und häufig auch in bilateralen Verträgen. Um das wieder in Zahlen zu fassen: In den letzten Jahren wurde Gas immer so um 25 Euro/MWh gehandelt. Aktuell steht der Gaspreis für das Jahr 2023 bei knapp 80 Euro/MWh. Wird mit 250 TWh rund ein Viertel des deutschen Verbrauchs über Margening-Verträge abgewickelt, dann ist hierfür eine Sicherheitsleistung von rund 14 Mrd. € notwendig. Steigt der Gaspreis infolge eines Lieferstopps auf die in den letzten Monaten schon öfters gesehenen 200 Euro/MWh, wären es 44 Mrd. €, bricht er durch bis 500 Euro/MWh, knapp 120 Mrd. €. Wo der Gaspreis bei einem Lieferstopp am Ende in seinem Anstieg stehen bleibt, ist nicht abzuschätzen.

Insofern ist ein kritischer Punkt, ob alle am Markt Gas verkaufenden Unternehmen diese Sicherheitsleistung werden leisten können. Wenn nicht, fallen sie als Marktpartner aus, was zu einer Kette sich fortsetzender Probleme führen kann. Denn die mit dem Ausfall des einen Gasversorgers ausfallenden Verträge fehlen ja anderen Gasversorgern im Portfolio und entsprechend müssen diese sich jetzt in dem angespannten Marktumfeld um eine Neueindeckung bemühen. Am härtesten trifft es natürlich die Gasversorger, die keine Margening-Verträge hatten. Hier muss das volle Marktpreisniveau gezahlt werden, um wieder das Gas für die Kundinnen und Kunden zu beschaffen – das wird nur mit erheblichen Mehrkosten zu schaffen sein (wenn überhaupt). Selbst für Versorger mit Margening-Verträgen kann es kritisch werden. Es ist fraglich, ob bei sprunghaften steigenden Preisen die letzte hinterlegte Sicherheitsleistung ausreicht, um die Mehrkosten bei der Wiedereindeckung der ausgefallenen Verträge zu decken (genau diese Lücke waren ja die zusätzlich zu leistenden Sicherheitszahlungen, die der ausfallende Lieferant nicht mehr leisten konnte, was ihn dann in die Knie gezwungen hat – die Lücke kann also erheblich sein).

Kurzum: Mit einem Ausfall der ersten Lieferanten steht also zu befürchten, dass weitere Lieferanten in die Knie gehen. Es können sich im schlimmsten Fall Ketten bilden, die dann auch die Endkundinnen und -kunden erreichen. Spätestens wenn dies flächendeckend der Fall ist, wird auch ein regulatorischer Eingriff notwendig, denn die letzte disziplinierende Drohung in normalen Zeiten, dass die Endkunden, die ohne Liefervertrag Gas beziehen, vom Netz genommen werden, ist dann nicht mehr durchzuhalten (so schnell/so viele Unternehmen gleichzeitig könnten die Netzbetreiber einfach operativ nicht abklemmen).

Die Frage dieses politischen Eingriffs ist dabei eine schwierige. Zu früh und wir bestrafen letztlich die Energieversorgungsunternehmen, die über die letzten Monate und Jahre Geld und Aufwand in ein effektives Risikomanagement gesteckt haben und bei allen Schwierigkeiten vielleicht einigermaßen gut durch diese aufreibende Zeit gekommen wären, und wir belohnen die Unternehmen, die sich um die Marktrisiken eben nie gekümmert haben. Und letztlich glaube ich nicht, dass ein „Bundeslastverteiler“, der bei Aussetzen des Marktes die Gasver- und -zuteilung übernehmen muss, das effizienter und besser macht als der Markt – auf effizienten Marktmechanismus sollte also auch nicht leichten Herzens verzichtet werden. Kommt der Eingriff dagegen zu spät, sind in weitesten Teilen die Marktteilnehmer ausgefallen, kaufmännisch kaum noch geordnete Strukturen vorhanden und man verwaltet nur noch Unternehmen, die vor allem mit sich selbst beschäftigt sind. Insofern ist wohl Wachsamkeit und Umsicht das Gebot der Stunde. Es ist gut, dass mit der Ausrufung der Frühwarnstufe das BMWK zeigt, dass es diesem Gebot folgt.

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