Anmerkungen zu Effektivität und Effizienz des EEG

03.07.2020 | Auch hier zu finden im Web

Energiewirtschaft
EEG
Energiewende

Eine absehbare Folge der Corona-Krise ist eine (ceteris-paribus) steigende EEG-Umlage. Dies ganz einfach deshalb, weil die EEG-Umlage die Lücke zwischen den Kosten der Übertragungsnetzbetreiber für den Einkauf des EEG-Stroms zu den gesetzlich vorgegebenen Fördersätzen und den Erlösen aus dem Verkauf des EEG-Stroms am Großhandelsmarkt darstellt. In 2019, und damit für die EEG-Umlage 2020, wurde diese Lücke mit ca. 24 Mrd. € prognostiziert. Da durch die Corona-Krise die Stromgroßhandelsmarktpreise eingebrochen sind, erzielt der EEG-Strom aber nun weniger Erlöse, so dass die tatsächliche Lücke im Jahr 2020 größer wird als prognostiziert. Das muss dann in der EEG-Umlage 2021 nachgeholt werden (d. h. höhere EEG-Umlage 2021), wobei man dann auch für 2021 natürlich nur geringere Vermarktungserlöse rechnen müsste (d. h. höhere EEG-Umlage 2021) und diese ganzen Mehrkosten sich auf eine krisenbedingt denkbarerweise geringere Absatzmenge verteilen muss (d. h. höhere EEG-Umlage 2021). Und mit der geringeren Absatzmenge 2020 werden schon dieses Jahr nicht ausreichend EEG-Einnahmen erzielt - auch das muss im nächsten Jahr nachgeholt werden (d. h. höhere EEG-Umlage 2021). Entsprechend hat eine Diskussion begonnen, ob Teile des EEG-Volumens nicht aus anderen Steuertöpfen bezahlt werden sollten. Diese Diskussion hat gestern mit dem Beschluss des Bundestags, tatsächlich mit Mitteln aus der CO2-Bepreisung die EEG-Umlage zu reduzieren, ihr Ende gefunden. Im Weiteren wird vor dem Hintergrund dieser Diskussion zunächst einmal eine Einordnung der Größenordnung des EEG in der Stromwirtschaft gegeben, um dann die Frage nach Effektivität und Effizienz des EEG zu diskutieren. Abschließend wird darauf aufbauend eine persönliche Einschätzung zur Frage der Steuersubvention des EEG gegeben.

Was sind 24 Mrd. € in der Stromwirtschaft?

Wir haben uns mit der Finanzkrise, der Euro-Krise und jetzt der Corona-Krise an Rettungspakete mit unvorstellbaren Milliardensummen gewöhnt – beinahe täglich werden wir in der Presse mit Zahlen in der Größenordnung von 500 Mrd. €, 1.000 Mrd. € konfrontiert. Der Bundeshaushalt für 2020 hat ein Volumen von 362 Mrd. €. Bei all diesen Beträgen sind 24 Mrd. € natürlich eine relevante, aber doch vergleichsweise kleinere Zahl. Für die Stromwirtschaft sind 24 Mrd. € aber eine fast unvorstellbar große Summe, insbesondere wenn man berücksichtigt, dass sie eine jährlich wiederkehrende Summe ist.

Nicht alles was hinkt, ist ein Vergleich – aber folgendes Zahlenbeispiel, um die Größenordnung abzuschätzen: Für 24 Mrd. € könnte man grob die E.ON übernehmen, also alle E.ON-Aktien von der Börse kaufen – und das jedes Jahr, wobei das ja nur einmal möglich ist. Im Jahr drauf kauft man also die komplette RWE und mit dem Wechselgeld dann noch MVV und Energiedienst. Da man dann die heimischen börsennotierten Energieversorger ja soweit durch hat, könnte man sich im Jahr drei dann dem Ausland zuwenden. Für ein bisschen weniger als eine EEG-Jahresscheibe bekommt man die ganze EDF und dann kann man ja mal weiter sehen …

Natürlich kauft man bei all diesen Unternehmen Schulden mit, so dass die Marktkapitalisierung nicht den Wert des dahinterstehenden Anlagevermögens repräsentiert. Aber eines wird klar – für die Stromwirtschaft ist eine jährlich wiederkehrende Zahlung in der Größenordnung von über 20 Mrd. € eine sehr große Summe. Mit rund einem Drittel Anteil an der Stromerzeugung ist das EEG energietechnisch spürbar, energiewirtschaftlich hat es schon seit langem alles andere in der Branche weit hinter sich gelassen – geschätzte 75 % der Rohmarge in der gesamten Energieerzeugung des Sektors fallen im EEG-Bereich an. Umso mehr stellt sich die Frage nach Effektivität und Effizienz des EEG. 

Effektivität und Effizienz des EEG

Die Effektivität des EEG wird wohl niemand in Frage stellen. Das gewünschte Ziel, den Zubau erneuerbarer Energien zu fördern, hat des EEG sehr gut erreicht. Über 100 GW EEG Erzeugung sprechen da eine sehr klare Sprache. Aber war dieser Zubau auch effizient?

Im Kern ist das „alte“ EEG ein Subventionsansatz, in dem pro erzeugte kWh ein fixer Subventionssatz bzw. Vergütungsbetrag gezahlt wird. Steuer- wie Subventionslösungen, die auf einem fixen Abgabensatz auf der Ausbringungsmenge beruhen, haben (in einer sehr volkswirtschaftlich theoretischen Sichtweise) erst einmal eine inhärente Kosteneffizienz: Jeder Erbauer einer EEG-Anlage versucht, seine Kosten gering zu halten, um bei fixem Fördersatz seinen Gewinn zu maximieren und es wird nur so lange EEG-Erzeugung zugebaut, bis die Grenzkosten des Zubaus diesen Vergütungsbetrag überschreiten. Die goldene Frage ist dabei natürlich, ob der Staat den „effizienten Fördersatz“ trifft, und es lässt sich sicher gut argumentieren, dass es Phasen in den letzten Jahren gegeben hat, in denen die Erzeugungskosten deutlich vom EEG-Vergütungsbetrag überschritten wurden. Wenn man aber vor dem Hintergrund der Ziele der Energiewende konstatiert, dass es von einem Startniveau von annähernd null ein „zu viel“ an erneuerbarem Strom kaum geben kann, wird durch zu hohe Fördersätze und einem damit einhergehenden kräftigeren Zubau ein gesamtwirtschaftliches Optimum nicht verfehlt. Und auch bei zu hohem Fördersatz besteht die Kosteneffizienz des EEG fort, denn es gilt ja weiterhin.

Natürlich gehen mit hohen Vergütungssätzen denkbarerweise auch hohe Gewinne für EEG-Anlagenbetreiber einher, die von den Stromkunden über die EEG-Umlage bezahlt werden müssen – die damit einhergehenden Probleme liegen aber nicht in der gesamtwirtschaftlichen Effizienz. Die Konsumenten (die Stromkunden) müssen einen Konsumverzicht leisten, um die EEG-Umlage zu bezahlen, die die Gewinne der EEG-Anlagenbetreiber ermöglichen. Es kommt also zu keinem Wohlfahrtsverlust, es wird „lediglich“ Konsumentenrente in Produzentenrente umgewandelt. Mir ist klar, dass dies eine extrem volkswirtschaftlich theoretische Sichtweise ist … Volkswirte freuen sich schon, wenn der sogenannte soziale Überschuss nicht verloren geht, unabhängig davon, ob er als Produzenten- und Konsumentenrente anfällt. Diese theoretische Sichtweise deutet aber auf das eigentliche Thema beim EEG hin – und das ist weniger eines der gesamtwirtschaftlichen Effizienz (Zubau erneuerbarer Energien ist notwendig, und das EEG stellt einen kosteneffizienten Zubau sicher), sondern eines der sozialwirtschaftlichen Verteilungsgerechtigkeit.

Die Verteilungsfragen des EEG

Und wie immer, wenn man sich Gerechtigkeitsfragen nähert, wird es beliebig schwierig. Ist die Finanzierung des wohl wirtschaftlich größten Postens der Energiewende über eine Umlage über den Stromverbrauch gerecht? Bei anderen gesamtwirtschaftlich bzw. politisch gewollten Projekten stellt man häufig auf eine Finanzierung über die öffentlichen Haushalte ab. Die diese finanzierende Einkommenssteuer versucht zumindest grundsätzlich, sozialpolitisch zu wirken – geringe Einkommen werden relativ weniger besteuert, höhere Einkommen stärker. Die Umlage über den Stromverbrauch berücksichtigt keine individuellen wirtschaftlichen Verhältnisse – Stromnachfrage und Einkommen eines privaten Haushalts korrelieren allenfalls schwach. Es ist vielmehr eher zu vermuten, dass einkommensschwache Haushalte sogar relativ gesehen überproportional von der EEG-Umlage belastet werden. Ein einkommensschwacher Haushalt hat wohl in der Tendenz weniger stromverbrauchende Geräte, diese sind aber energetisch in der Regel stromintensiver im Verbrauch. Der Anteil der Stromkosten am monatlichen Haushaltsnettoeinkommen liegt bei den 20 % einkommensschwächsten Haushalten aktuell bei 6,5 %, berücksichtigt man den vollen EEG-Effekt bei eher 9 % (wie ich darauf komme und warum ich das so differenziere, findet sich hier erläutert) - und das bezieht sich nur auf den reinen Stromverbrauch, die Wohnung ist dann noch nicht beheizt. Die Verteilungseffekte werden noch dadurch verstärkt, dass auf der EEG-Empfängerseite die allermeisten der fast 2 Mio. EEG-Anlagenbetreiber auch private Haushalte sind … allerdings Haushalte, die typischerweise ein Eigenheim und ausreichend wirtschaftliche Kraft haben, sich eine PV-Anlage aufs Dach zu bauen.

Den Erfolg des EEG-Zubaus hat, glaube ich, bei Start des EEG 1990 keiner kommen sehen. Wie die EVU hat auch die Politik an ein Nischenthema geglaubt. Viele Einschätzungen zum Wachstum und zur Wirkung des EEG waren falsch, nicht nur die berühmte Kugel Eis, die das EEG pro Monat einen Haushalt kosten sollte. Insofern war es aber nachvollziehbar, dass man sich bei Beginn des EEG um Verteilungsfragen keine Gedanken gemacht hat. Die Richtung des Zubaus war richtig, das gewählte Instrument stellt Kosteneffizienz sicher. Seit einigen Jahren aber ist klar, dass das EEG auf die Stromwirtschaft und die Stromrechnung spürbare Auswirkungen hat. Eine Subvention des EEG-Volumens aus dem Bundeshaushalt würde etwas Verteilungsgerechtigkeit in das EEG einführen. Mit dem, was wir uns in der Energiewende vorgenommen haben und was dies noch kosten wird, sollten wir uns den Verteilungseffekten der Energiewende mehr widmen – mir erscheint das für die Akzeptanz der Energiewende zentral, nicht nur in der Corona-Krise. Eine teilweise Abdeckung des EEG-Fördervolumens aus dem Bundeshaushalt wäre ein erster Schritt.

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