Neues vom Murmeltier- Versorgerwechsel in 2020

03.02.2021 | Auch hier zu finden im Web

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In den vergangenen beiden Jahren habe ich jeweils am Jahresanfang einen Rückblick auf das Wechselgeschehen im Netzgebiet der Netze BW vorgenommen. Das Wechselgeschehen an sich wird ja an vielen Stellen berichtet und kommentiert – gilt es doch als zentraler Indikator für die Wettbewerbsintensität im Strom- und Gasmarkt. Ich habe in meinen beiden Jahresrückblicken (die sich hier für 2019 und hier für 2018 finden) meinen Fokus insbesondere darauf gelegt, warum Versorgerwechsel scheitern.

Langfristiges Zielbild muss in diesen immer digitaleren Zeiten der Lieferantenwechsel innerhalb eines Tages sein. Mit ihren Abwicklungsprozessen ist die Branche davon noch ein gutes Stück entfernt. Wichtig ist mir, dass es sich hierbei um ein Zielbild für die ganze Branche handelt – es braucht das Zusammenspiel von Netzbetreibern und Lieferanten. Theoretisch (bzw. in den IT-Prozessen sogar ganz praktisch) wäre der Versorgerwechsel binnen 24 Stunden schon heute möglich, wenn die digitalen Abwicklungen von Netzbetreibern und Lieferanten reibungslos ineinandergreifen. Das ist aber immer wieder nicht der Fall.

Warum scheiterten also Versorgerwechsel in 2020? Die Auswertungen beziehen sich rein auf die Netze BW, können aber aufgrund der Größe unseres Versorgungsgebiets durchaus als repräsentativ angenommen werden. Im Großen und Ganzen ist das Bild (siehe Abbildung 1) unverändert zu den Vorjahren.

Abb. 1: Warum scheitern Versorgerwechsel - Strom

Die Wettbewerbsintensität hat zugenommen. Im Strom hatten wir mit 530.000 Wechselanfragen knapp 11 % mehr als im Vorjahr. Der Anteil der abgelehnten Wechselanfragen ist dabei mit jetzt 13 % leicht überproportional gestiegen – in Summe musste die Netze BW 86.000 der angefragten Wechsel ablehnen. Wichtig ist mir hier, dass wir als Netzbetreiber in den allermeisten Fällen nur der Überbringer der schlechten Nachricht sind. In 2020 wurde in 68.000 Fällen der Wechsel tatsächlich vom bisherigen Lieferanten abgelehnt, mit 79 % waren dies 1,3 %-Punkte mehr als im Vorjahr. Mit dieser Ablehnung stoppen wir dann den Wechselprozess. Stark zurückgegangen (von 3,6 % auf 0,6 %) sind die Ablehnungen, weil der angegebene bisherige Lieferant dem Kunden nicht mehr zugeordnet ist, der Kunde also schon einen anderen Lieferanten hat. In 2019 hat es dieses Problem in Zusammenhang mit den Pleiten einiger größerer Stromversorger öfter gegeben, was sich so 2020 nicht wiederholt hat. Unter dem Strich lag die Quote der gescheiterten Wechsel wie im Vorjahr bei rund 16 %.

Ein anderes Bild (siehe Abbildung 2) zeigt sich beim Gas. Hier ist die Anzahl der angefragten Wechsel deutlich um 33 % gegenüber 2019 gestiegen. 

Abb. 2: Warum scheitern Versorgerwechsel - Gas

Auch die gescheiterten Wechsel haben einen Sprung gemacht – betrug ihr Anteil 2019 noch 15 %, so waren es 2020 sieben Prozentpunkte mehr – 22 %. Auffallend sind hier vor allem die Ablehnungen aufgrund von Fristüberschreitung, die sich fast verzehnfacht haben. Tatsächlich steckte dahinter fast allein ein sehr kleiner Lieferant (weniger als 40 Abnahmestellen in unserem Netzgebiet), der uns in zwei Monaten mit knapp 3000 fehlgelaufenen (maschinellen) Anmeldungen beglückte, teilweise bis zu 100 in kürzester Frist für einen Kunden. Vermutlich ein IT-Fehler mit falsch berechneten Fristen und einem hartnäckig auf Wiederholen eingestellten System. Hauptablehnungsgrund sind auch im Gas die Ablehnungen durch den Vorversorger, wobei ihr Anstieg um 61 % bemerkenswert ist.

Ärgerlich ist das dann vor allem für den Kunden. Er erfährt nur, dass sein Versorgerwechsel nicht erfolgreich war. Er hat eigentlich keine Chance, herauszufinden, an wem es lag – dem Netzbetreiber, dem bisherigen oder dem neuen Versorger oder – auch das kommt vor – an ihm. Die qualifizierte Kundenrückmeldung ist vielleicht der „blinde Fleck“ in den aktuellen Regeln der Marktabwicklung. Ärgerlich für den Netzbetreiber ist, dass er – siehe oben – immer der Überbringer der schlechten Nachrichten ist, auch wenn die Ablehnung des Kundenwechselwunsches in den allermeisten Fällen (im Strom zu 79 % und im Gas zu 66 % - vor den IT-Problemen des einen Unternehmens) die Entscheidung des Altversorgers war. 

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