Mehr Expertise wagen – warum das EuGH-Urteil auch eine Chance ist

07.12.2021 | Auch hier zu finden im Web

Verteilnetze
Regulierung
EuGH

Feste Regeln haben Vorteile: Sie können zum Beispiel Sicherheit bieten. Sie haben aber auch Nachteile: So können sie manchmal auch bessere Entscheidungen verhindern, wenn man eigentlich überlegene Alternativen zur Hand hätte, die dann aber nicht den festen Regeln entsprechen. So verhält es sich auch mit den vielen Vorschriften in den Verordnungen zur Netzregulierung. Während sie einerseits (Rechts-)Sicherheit bieten, sind in ihnen auch manchmal nicht optimale Regelungen verankert. Konkretes Beispiel: Wirtschaftswissenschaftlich ist nicht wirklich passend, auf der einen Seite ein klassisches CAPM über die letzten 100 Jahre und über alle Volkswirtschaften der Welt anzusetzen, auf der anderen Seite dann aber abweichend von der Theorie beim risikolosen Basiszins den „Durchschnitt der von der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Umlaufrenditen festverzinslicher Wertpapiere inländischer Emittenten“ über die letzten „zehn abgeschlossenen Kalenderjahre“ anzusetzen. Und so falsch wie das in einer BWL-Klausur wäre, so richtig ist es bei der Festlegung des Eigenkapitalzinssatzes, denn so steht es im Gesetz, genauer in § 7 (4) StromNEV bzw. GasNEV (etwas ausführlicher erläutere ich das Problem hier). Die zukünftig größere Unabhängigkeit der Bundesnetzagentur in Folge des EuGH-Urteils bietet hier eine Chance, sich mehr an dem wirtschaftswissenschaftlich richtigen Vorgehen denn an den konkreten Gesetzestexten auszurichten.

Wie gut es gelingen wird, solche Chancen zu nutzen, hängt mit Sicherheit zumindest teilweise auch davon ab, wie gut es um eine effektive Überprüfung von Regulierungsentscheidungen der Bundesnetzagentur und damit auch um den Rechtsschutz bestellt sein wird. Zumal die laufenden Regalmeter der wirtschaftswissenschaftlichen Theorie ja auch ein Beleg dafür sind, dass es ganz so einfach mit dem Ausrichten am wissenschaftlich Richtigen nicht ist. Aber auch die allgemeine Lebenserfahrung zeigt auf, dass eine Kontrollinstanz für das behördliche Handeln wichtig ist. Wenn wir ehrlich sind, wissen wir doch alle, dass die Qualität unserer Arbeit durchaus etwas leiden kann, wenn wir wissen, dass uns niemand auf die Finger schaut. In der Arbeit der Bundesnetzagentur sind es letztlich die Gerichte, die der Behörde auf die Finger schauen sollten. In den letzten Jahren hat die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs den Ermessensspielraum für die Bundesnetzagentur jedoch immer weiter ausgelegt. Mittlerweile muss man als Netzbetreiber sehr hohe Beweishürden überspringen, um einen Beschluss der Bundesnetzagentur anfechten zu können. Durch die hohe Komplexität (man denke an EK-Zins und Xgen) sind die Sachverhalte aber vor Gericht trotz Sachverständigem kaum noch vollständig aufklärbar – was dann dazu führt, dass man die hohe Beweishürde des Bundesgerichtshofs praktisch gesehen gar nicht nehmen kann. In der Konsequenz schafft das Situationen, in der der Bundesnetzagentur niemand auf die Finger schaut. Offensichtlich leidet darunter der Rechtsschutz vor Behördenentscheidungen für die Netzbetreiber, der damit de-facto abgeschafft ist. Zumindest ist zu befürchten, dass darunter aber auch die Qualität der Regulierungsentscheidungen leidet. Dieses Problem bestand grundsätzlich bereits vor dem EuGH-Urteil. Es war jedoch für die breitere Fach- und politische Öffentlichkeit tendenziell versteckt – mit dem EuGH-Urteil ist die Frage nach dem effektiven Rechtsschutz gegenüber dem behördlichen Handeln konkret geworden. Insofern kann das EuGH-Urteil auch als Chance gesehen werden: Als Chance ein seit Jahren größer werdendes Problem des effektiven Rechtsschutzes in der Regulierungslandschaft anzugehen.

In einem Beitrag in der Dezemberausgabe der „Energiewirtschaftliche Tagesfragen“ argumentieren Frau Dr. Birgit Staiger und Herr Dr. Tobias Pfrommer vom Regulierungsmanagement der Netze BW GmbH, dass ein unabhängiger, wissenschaftlicher und interdisziplinärer Expertenrat zur inhaltlichen Überprüfung von Entscheidungen der Bundesnetzagentur hier ein guter Ansatz wäre. Dieser könnte dafür sorgen, dass trotz aller Komplexität Beweishürden wieder übersprungen werden könnten – ganz einfach weil ein wirtschaftswissenschaftlich orientierter Expertenrat einen eigenen Zugang zu den Themen hat. Damit könnten die inhaltlichen Chancen, die sich aus der größeren Unabhängigkeit der Bundesnetzagentur ergeben, genutzt werden und sowohl die Rechtssicherheit wie auch die Qualität von Regulierungsentscheidungen erhöht werden. Der Artikel von Frau Dr. Staiger und Herrn Dr. Pfrommer findet sich hier. Dieser Beitrag schließt an ein Diskussionspapier der Netze BW GmbH vom September dieses Jahres an, das hier abrufbar ist.

Feste Regeln haben Vorteile: Sie können zum Beispiel Sicherheit bieten. Sie haben aber auch Nachteile: So können sie manchmal auch bessere Entscheidungen verhindern, wenn man eigentlich überlegene Alternativen zur Hand hätte, die dann aber nicht den festen Regeln entsprechen. So verhält es sich auch mit den vielen Vorschriften in den Verordnungen zur Netzregulierung. Während sie einerseits (Rechts-)Sicherheit bieten, sind in ihnen auch manchmal nicht optimale Regelungen verankert. Konkretes Beispiel: Wirtschaftswissenschaftlich ist nicht wirklich passend, auf der einen Seite ein klassisches CAPM über die letzten 100 Jahre und über alle Volkswirtschaften der Welt anzusetzen, auf der anderen Seite dann aber abweichend von der Theorie beim risikolosen Basiszins den „Durchschnitt der von der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Umlaufrenditen festverzinslicher Wertpapiere inländischer Emittenten“ über die letzten „zehn abgeschlossenen Kalenderjahre“ anzusetzen. Und so falsch wie das in einer BWL-Klausur wäre, so richtig ist es bei der Festlegung des Eigenkapitalzinssatzes, denn so steht es im Gesetz, genauer in § 7 (4) StromNEV bzw. GasNEV (etwas ausführlicher erläutere ich das Problem hier). Die zukünftig größere Unabhängigkeit der Bundesnetzagentur in Folge des EuGH-Urteils bietet hier eine Chance, sich mehr an dem wirtschaftswissenschaftlich richtigen Vorgehen denn an den konkreten Gesetzestexten auszurichten.

Wie gut es gelingen wird, solche Chancen zu nutzen, hängt mit Sicherheit zumindest teilweise auch davon ab, wie gut es um eine effektive Überprüfung von Regulierungsentscheidungen der Bundesnetzagentur und damit auch um den Rechtsschutz bestellt sein wird. Zumal die laufenden Regalmeter der wirtschaftswissenschaftlichen Theorie ja auch ein Beleg dafür sind, dass es ganz so einfach mit dem Ausrichten am wissenschaftlich Richtigen nicht ist. Aber auch die allgemeine Lebenserfahrung zeigt auf, dass eine Kontrollinstanz für das behördliche Handeln wichtig ist. Wenn wir ehrlich sind, wissen wir doch alle, dass die Qualität unserer Arbeit durchaus etwas leiden kann, wenn wir wissen, dass uns niemand auf die Finger schaut. In der Arbeit der Bundesnetzagentur sind es letztlich die Gerichte, die der Behörde auf die Finger schauen sollten. In den letzten Jahren hat die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs den Ermessensspielraum für die Bundesnetzagentur jedoch immer weiter ausgelegt. Mittlerweile muss man als Netzbetreiber sehr hohe Beweishürden überspringen, um einen Beschluss der Bundesnetzagentur anfechten zu können. Durch die hohe Komplexität (man denke an EK-Zins und Xgen) sind die Sachverhalte aber vor Gericht trotz Sachverständigem kaum noch vollständig aufklärbar – was dann dazu führt, dass man die hohe Beweishürde des Bundesgerichtshofs praktisch gesehen gar nicht nehmen kann. In der Konsequenz schafft das Situationen, in der der Bundesnetzagentur niemand auf die Finger schaut. Offensichtlich leidet darunter der Rechtsschutz vor Behördenentscheidungen für die Netzbetreiber, der damit de-facto abgeschafft ist. Zumindest ist zu befürchten, dass darunter aber auch die Qualität der Regulierungsentscheidungen leidet. Dieses Problem bestand grundsätzlich bereits vor dem EuGH-Urteil. Es war jedoch für die breitere Fach- und politische Öffentlichkeit tendenziell versteckt – mit dem EuGH-Urteil ist die Frage nach dem effektiven Rechtsschutz gegenüber dem behördlichen Handeln konkret geworden. Insofern kann das EuGH-Urteil auch als Chance gesehen werden: Als Chance ein seit Jahren größer werdendes Problem des effektiven Rechtsschutzes in der Regulierungslandschaft anzugehen.

In einem Beitrag in der Dezemberausgabe der „Energiewirtschaftliche Tagesfragen“ argumentieren Frau Dr. Birgit Staiger und Herr Dr. Tobias Pfrommer vom Regulierungsmanagement der Netze BW GmbH, dass ein unabhängiger, wissenschaftlicher und interdisziplinärer Expertenrat zur inhaltlichen Überprüfung von Entscheidungen der Bundesnetzagentur hier ein guter Ansatz wäre. Dieser könnte dafür sorgen, dass trotz aller Komplexität Beweishürden wieder übersprungen werden könnten – ganz einfach weil ein wirtschaftswissenschaftlich orientierter Expertenrat einen eigenen Zugang zu den Themen hat. Damit könnten die inhaltlichen Chancen, die sich aus der größeren Unabhängigkeit der Bundesnetzagentur ergeben, genutzt werden und sowohl die Rechtssicherheit wie auch die Qualität von Regulierungsentscheidungen erhöht werden. Der Artikel von Frau Dr. Staiger und Herrn Dr. Pfrommer findet sich hier. Dieser Beitrag schließt an ein Diskussionspapier der Netze BW GmbH vom September dieses Jahres an, das hier abrufbar ist.

Bleiben Sie auf dem Laufenden

Tragen Sie sich jetzt in meinen Newsletter ein, um benachrichtigt zu werden, wenn ein neuer Artikel erscheint.

Sie haben eine Frage oder ein spannendes Thema?

Kontaktieren Sie mich gerne per E-Mail.