Mäuschen, sag mal Pi(e)p – Anmerkungen zur Suche nach dem richtigen Xgen

22.10.2018 | Auch hier zu finden im Web

Regulierung
Xgen

Die Bundesnetzagentur hat am 19.10.2018 ihren Festlegungsentwurf zum allgemeinen Produktivitätsfaktor, kurz Xgen, für Strom veröffentlicht. In den nächsten Tagen wird man seitens der Verteilnetzbetreiber heftige Kritik an den von der Behörde vorgelegten Zahlen hören. Schon Anfang dieses Jahres hatten über 700 Netzbetreiber vor dem OLG Düsseldorf Beschwerde gegen die Festlegung des Xgen für Gas eingelegt. Worum geht es denn in der Sache? Da ist die Bezeichnung „allgemeiner Produktivitätsfaktor (Xgen)“ irreführend. Effiziente Netzbetreiber dürfen im Rahmen der Anreizregulierung ihre Erlöse von Jahr zu Jahr um die um den Xgen korrigierte Inflationsrate anpassen. Die Erlöse nächstes Jahr sind also die Erlöse dieses Jahr plus Inflation minus Xgen (vereinfacht gesprochen). Die Inflationsrate und der Xgen drücken gemeinsam aus, wieviel Geld ein Netzbetreiber im Vergleich zum Basisjahr mehr oder weniger braucht (brauchen darf), um seine Versorgungsaufgabe effizient erfüllen zu können.

Der Xgen wird insofern auch als „Wettbewerbssimulator“ im Netzmonopol gesehen. Doch wie funktioniert das im Wettbewerb? – Klar, bei heftig drückender Konkurrenz geht jeder Preisvorteil eines einzelnen Anbieters an die Kunden, da er sonst (sollte er Preisvorteile nicht weitergeben) die Kunden verliert. Woraus entstehen diese Preisvorteile? Natürlich aus Produktivitätsfortschritten in der Produktion. Man darf allerdings nicht vergessen: Veränderte Einkaufspreise (volkswirtschaftlich genauer Inputpreise), zum Beispiel für Mitarbeiter, Dienstleistungen oder Vorleistungen, werden auch im Wettbewerb an die Kunden weitergereicht – ansonsten kann ein Unternehmen nicht bestehen. In Baden-Württemberg arbeitet zum Beispiel derzeit jeder, der mit einer Schaufel buddeln kann, für das Bahnprojekt „Stuttgart 21“, was die Marktpreise (Inputpreise) für Baudienstleistungen bei der Kabelverlegung enorm verteuert hat.

Richtigerweise sollte der Xgen also Xpip heißen: Der X-Faktor bildet die Abweichung der Produktivitäts- und(!) Inputpreisänderungen ab. Die Bestimmung eines Xpip ist extrem komplex, und die Bundesnetzagentur ist um ihre Aufgabe nicht zu beneiden. Wenn man aber vom Ende, vom Ergebnis her schaut, sind einige Aspekte recht einfach, und es ist auch schnell nachzuvollziehen, warum sich die Netzbetreiber massiv dafür einsetzen, dass der Xgen bzw. Xpip deutlicher abgesenkt werden muss als bislang vorgesehen. Das zeigt das folgende Bild:

Abgetragen sind die durchschnittlichen (Endkunden-) Preissteigerungen verschiedener Industrien in den Jahren 2007 bis 2016 in % pro Jahr. Die roten Balken sind die erlaubten Preissteigerungen für die Strom- und Gasnetzbetreiber aus der Regulierung, also Inflation (gemessen durch den Verbraucherpreisindex VPI, in der Graphik als schwarzer Balken dargestellt) minus Xgen. Weiteste Teile der deutschen Industrie mussten in den betrachteten Jahren die Preise erhöhen, eigentlich erzielte nur die Computerbranche wirklich nennenswerte Preissenkungen; wenig überraschend, wenn man sich den schnellen technischen Fortschritt in dieser Branche vor Augen führt. Die Digitalisierungsanstrengungen der deutschen Netzbetreiber in allen Ehren, aber ich würde uns doch näher am „Straßenbau“ sehen - und auf Basis des Straßenbaus müsste der Xpip sogar negativ werden.

Damit ist eigentlich auch die Sorge der deutschen Netzbetreiber klar: Im gesamtwirtschaftlichen Branchenvergleich war in den letzten Jahren der Xpip viel zu hoch angesetzt. Das kann für eine Zeit mit noch aus alter Monopolzeit kommenden Produktivitätspotentialen erklärt werden (was ich eher bezweifle), aber sicher kann es nicht in die Zukunft fortgeschrieben werden. Ich sehe keine Möglichkeit für einen positiven Xpip – selbst wenn er wie beim Gas „nur“ 0,49 % beträgt – beim Strom werden von der Bundesnetzagentur ja sogar Zahlen von 1,36 % und mehr genannt! „Null“ erscheint mir hier die richtige Zahl und zwar sowohl für die Gas- als auch Stromnetzbetreiber. Denn bei einer Differenz zwischen Strom und Gas von fast 1 % jährlich muss man sich mit gesundem ökonomischen Menschenverstand schon fragen, welche Unterschiede zwischen Strom und Gas eine derart hohe Differenz in der Produktivitätsentwicklung zwischen den beiden Netzsektoren rechtfertigen können. Mir fällt da „null“ ein …

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