Kupfer und Köpfchen – warum Investitionen in’s Netz unvermeidbar sind

14.06.2018 | Auch hier zu finden im Web

Energiewende
Elektromobilität
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Gestern war ich Teilnehmer einer Podiumsdiskussion zu Elektromobilität auf dem BDEW-Kongress. Zusammen mit anderen Akteuren und Stakeholdern der Elektromobilität diskutierten wir Geschäftsmodelle und Perspektiven. Als Netzbetreiber fasziniert mich an dieser Debatte, dass sie meistens losgelöst von den übrigen Entwicklungen in der Stromwirtschaft geführt wird – vielleicht, weil sie für die Automobilwirtschaft und für den Autofahrer eine wirklich einzigartige Neuerung darstellt. Für die Stromwirtschaft ist die Elektromobilität aber nur ein weiteres Thema, das zu vielen anderen Themen hinzukommt. Themen wie beispielsweise die Energiewende. Die deutschen Verteilnetzbetreiber haben in den vergangenen Jahren 1,7 Mio. EEG-Anlagen in ihr Netz integriert, um nur mal eine Zahl zu nennen.

Oliver Wyman hatte Anfang des Jahres geschätzt, dass die Elektromobilität in den nächsten Jahren 11 Mrd. Euro Investitionen in die Stromnetze erfordert. Die Dena schätzte, dass die Integration der EEG-Anlagen bis 2030 ca. 20 Mrd. Euro an Netzinvestitionen erfordert. Gleichzeitig laufen wir in eine Netzerneuerung – das heutige Verteilnetz wurde in wesentlichen Teilen in den Jahren des Wirtschaftswunders gebaut und muss jetzt erneuert werden – vielleicht noch einmal 20 Mrd. Euro an Erneuerungsinvestitionen. Ist also insgesamt eine Investitionssumme von ca. 50 Mrd. Euro für die Ertüchtigung und den Ausbau der Stromnetze notwendig? Eine solche Schlussfolgerung zu ziehen wäre sicherlich falsch. Denn mit dem, was im Verteilnetz gerade passiert, - Energiewende, Elektromobilität, Erneuerungszyklus - wird kein Netzbetreiber sein Netz nur 1:1 ersetzen, sondern gleich die Kapazitäten vergrößern. Die 11 Mrd. Euro für die Elektromobilität helfen natürlich auch bei der Integration erneuerbarer Energien. Spezifische - z.B. nur auf Elektromobilität ausgelegte - Betriebsmittel kommen im Netz so gut wie gar nicht vor – im Netz sind alle Kilowattstunden gleich.

Für strategisch falsch halte ich dabei Ansätze, die notwendigen Netzinvestitionen durch Eingriffe auf der Einspeiser- oder Nachfrageseite zu vermeiden. Die Betrachtungen vergleichen in aller Regel die Kosten von „Netzmanagement“ oder „intelligenten Lösungen“ auf der einen Seite mit den eingesparten Investitionen für den Netzausbau auf der anderen Seite und leiten daraus ab, dass das gesamtwirtschaftliche Optimum bei mehr „Köpfchen“ und weniger „Kupfer“ liegt. Gerade wenn man gesamtwirtschaftlich - also wissenschaftlich-volkswirtschaftlich - argumentiert greift das aber zu kurz. Netzengpässe treten beispielsweise aus klimatischen Gründen („Wetter“) auf – eine hohe Netzvorbelegung durch viel dezentrale Einspeisung aus EEG-Erzeugung bei viel Sonne oder Wind. Genau dann sind aber auch die Marktpreise nahe Null (oder sogar unter Null) - ein Moment also, wo die Verwertung von Flexibilitätsmöglichkeiten im Markt (statt im Netz) besonders attraktiv werden kann. Insofern ist als Vergleichsmaßstab von Netzmanagement bzw. der Nutzung von Flexibilität nicht nur der möglicherweise eingesparte Netzausbau zu sehen, sondern auch die Opportunitätskosten einer Marktverwertung. Der Einsatz von Flexibilität zur Vermeidung von Netzausbau impliziert in jedem Fall, dass die entsprechende Flexibilität nicht mehr am Markt verwertet werden kann. Die Erfahrungen in der Stromwirtschaft zeigen aber, dass der Markt mehr zahlen kann als das Netz. Köpfchen also nicht nur, um sich Flexibilität zu erschließen, Köpfchen auch bei der Verwertung – und das Einsparen von Kupfer erscheint mir da als Holzweg.

Zumal Kupfer eben nicht nur bei der Elektromobilität, der EEG-Integration und der notwendigen Netzerneuerung hilft, sondern ganz allgemein auch bei der Versorgungssicherheit. Und wenn wir an die Sektorkopplung glauben - selbst in einem gemäßigten Szenario dergestalt, dass nur 50 % des heutigen Nicht-Strom-Energieverbrauchs zukünftig auf elektrischen Strom umgestellt werden - ist ein Netzausbau von solcher Größenordnung notwendig, dass kein jetzt im Netz verbauter Euro falsch investiert ist. „Netzmanagement“ ist wichtig, um kurzfristig Probleme zu lösen, bis man das Netz nachziehen kann. Ich kann mir auch vorstellen, dass es an verschiedenen Stellen auch dauerhaft ein wertvolles Arbeitsmittel im Werkzeugkasten der Netzbetreiber sein kann. Aber mit dem was wir in der Energiewende, in der Erneuerung, in der Elektromobilität und ggf. in der Sektorkopplung vor uns haben, ist ein klassischer Netzausbau unvermeidbar. Es sei denn, dass uns „Köpfchen“ zu so etwas bringt: [Braucht kein Kupfer mehr]

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