Klimaneutralität, Herkunftsnachweise und Hausputz

09.06.2021 | Auch hier zu finden im Web

CO2
Klimawandel
Netze BW

Die Netzbetreiber der EnBW-Gruppe beschäftigen sich schon seit einiger Zeit mit dem Thema Klimaneutralität. Die Netze BW GmbH als größter Netzbetreiber in diesem Kreis hat sich vorgenommen, im Jahr 2021 klimaneutral zu werden. Letzten Dienstag hatten wir eine kleine Online-Veranstaltung durchgeführt, um über unsere Erlebnisse, Erfahrungen und Schwierigkeiten auf dem Weg zur Klimaneutralität zu berichten.

In meinem Vortrag bin ich insbesondere darauf eingegangen, dass es uns als Netzbetreiber de-facto untersagt ist, unsere Verlustenergie über Herkunftsnachweise, kurz HKN, als Grünstrom zu beschaffen. Da Grünstrom in Deutschland eigentlich nur noch über HKN gehandelt wird, führt dies dazu, dass wir unsere mit Abstand größte „CO2-Quelle“ nicht durch eine Maßnahme, sondern nur durch eine Kompensation klimaneutral stellen können. Ich finde es vor dem Hintergrund der aktuellen Klimadebatten schon reichlich skurril, dass wir Netzbetreiber darum kämpfen müssen, Grünstrom kaufen zu dürfen (hier erläutere ich die Hintergründe).

Mein Kollege Dr. Jörg Reichert von der Energiedienst Holding AG berichtete über ein ähnlich gelagertes Problem. Der Netzbetreiber der Energiedienst Holding AG, die ED Netze GmbH, möchte ein neues Verwaltungsgebäude bauen - ursprünglich geplant mit einer ordentlichen/großen Dach-PV-Anlage. Nur: Damit würde der Netzbetreiber zum Stromerzeuger und das ist nach den Entflechtungsvorschriften des Energiewirtschaftsgesetzes untersagt – somit also keine großflächige Dach-PV-Anlage.

Besonders spannend finde ich in diesem Zusammenhang, dass der Koalitionsvertrag der neuen grün-schwarzen Landesregierung von Baden-Württemberg eine Pflicht für Dach-PV-Anlagen auf Neubauten vorsieht. Wie wir als Netzbetreiber damit umgehen, ist mir noch nicht klar. Im Chat der Online-Veranstaltung kam gleich der Hinweis, dass man doch das Dach verpachten könne. Stimmt – nur sind das zusätzliche Transaktionskosten. Und man wird als Netzbetreiber die Dachfläche ja nicht einfach so Freihand vergeben können – also Ausschreibung, noch einmal mehr Transaktionskosten. Und bei Dachflächen auf Betriebsgebäuden muss der Zugang geregelt und auf unterwiesenes Personal beschränkt werden – wiederum mehr Transaktionskosten für Netzbetreiber und Pächter.

Ich glaube, diese Phänomene werden sich häufen. Und sie sind für mich weniger ein Zeichen liederlicher Arbeit des Gesetzgebers, sondern mehr Ausdruck der Komplexität des Systems. Wir bauen unsere gesamte Energiewirtschaft von vorne bis hinten und an vielen Stellen gleichzeitig um. Da geht immer etwas schief – es wäre auch das erste Projekt, bei dem alles auf Anhieb aus einem Guss und fehlerfrei ist.

Das Problem ist aus meiner Sicht mehr die lange Dauer der Korrekturschleifen. Praxisbeispiel EEG: Es gibt bestimmt zehn Punkte im aktuellen EEG, die aus Sicht der operativen Abwicklung problematisch sind. Und ich meine das wirklich ganz eng auf die operative Abwicklung - also auf einen weitgehend ideologiefreien Raum - beschränkt. Aus unseren Diskussionen weiß ich auch um eine fast vollständig einheitliche Sicht auf diese Punkte bei EEG-Erzeugern und Netzbetreibern. Nur: Man bekommt diese in der Politik nicht hinterlegt. Eine EEG-Reform ist so überladen von den Diskussionen um Ausbaupfade und anderen Grundsatzfragen, dass der „operative Hausputz“ hintenüberfällt. Am Anfang des Gesetzgebungsprozesses will man die großen Fragen klären, am Ende ist für Anderes keine Zeit mehr. Das Nachsteuern von erkannten Unwuchten muss schneller werden.

Vielleicht wäre es eine Idee, an den Anfang jeder Legislatur ein „Energiewende-Hausputz-Gesetz“ zu stellen, in dem man sich bewusst nur auf die operativen und kleinteiligen Prozessfragen kümmert und die Punkte anpasst, bei denen in der Branche – übergreifend gedacht – weitgehend Einigkeit besteht. Man könnte so in der Zeit, die die Diskussion der „großen Fragen“ benötigt, die unvermeidlichen Fehler und kleinteiligen Verbesserungen, die sich oft auch erst in der tatsächlichen Umsetzung zeigen, angehen. Die Frage der Herkunftsnachweise für Verlustenergie wäre dann wohl auf jeden Fall dabei. Es ist komplett sinnbefreit, auf eine Stromwirtschaft hinzuarbeiten, in der noch ca. 5 GW aus Kohlekraftwerken vorgehalten werden, nur um Verlustenergie zu erzeugen (es ist ja nach dem aktuellen Stand der Dinge untersagt, Grünstrom für Verlustenergie einzusetzen – diese muss somit fossil sein). Eventuell müsste man noch am Namen für das „Energiewende-Hausputz-Gesetz“ arbeiten … „Gute-Energiewende-Gesetz“ klingt irgendwie positiver. 

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