Der digitale Zähler - wenn man eine Rechnung für etwas bekommt, was man gar nicht bestellt hat

17.04.2021 | Auch hier zu finden im Web

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Messwesen

Fotos: pixel2013 S. Hermann & F. Richter / Netze BW GmbH

Das Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende ist ein besonderes Biest … von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen, betrifft es doch jeden Haushalt in Deutschland. Denn in jedem Haushalt soll in den nächsten Jahren der alte schwarze mechanische Zähler durch ein graues digitales Modell ersetzt werden. Verbraucht der Kunde mehr als 6.000 kWh im Jahr oder hat er beispielsweise eine (größere) PV-Anlage auf dem Dach, muss der Zähler auch eine Telekommunikationsanbindung erhalten und somit fernauslesbar sein. Für den Kunden ist damit unter Umständen eine Überraschung verbunden – und nicht deswegen, weil er dann sehen kann, wann er seinen Strom genau verbraucht.

Zunächst müssen die Kunden mit einer weiteren Systemkomplexität klarkommen. Wir, die wir in der Energiewirtschaft tätig sind, denken mittlerweile „unbundelt“. Die meisten Kunden, für die der Stromversorger nur über die Rechnung und eben den Zähler wahrnehmbar ist, unterscheiden bis heute nicht zwischen Lieferant und Netzbetreiber. Insofern darf man gespannt sein, wie die Kunden damit klarkommen, dass aus der Zweiteilung ihrer Versorgung eine Dreiteilung wird … . Es gibt jetzt drei Verantwortliche für ihre Stromversorgung: den Lieferanten, den Netzbetreiber und den Messstellenbetreiber. Die durch das Energiewirtschaftsgesetz und die DSGVO eingeschränkten Zusammenarbeits- und Informationsprozesse laufen schon heute nicht so, wie sich das Kunden wünschen. Ein „one-stop-shop“ ist kaum möglich. Das wird mit einem Dritten im Bunde nicht besser werden. Das Unverständnis und der Unbill der Kunden werden zunehmen.

Geschätzte 250.000 Kunden in Deutschland haben ihren Messstellenbetreiber aber schon kennengelernt, weil sie von ihm eine Rechnung bekommen haben. In den allermeisten Fällen zu ihrer Überraschung, da sie nichts beim Messstellenbetreiber beauftragt oder bestellt hatten (und bis zum Eingang der Rechnung wahrscheinlich nicht einmal wussten, dass es für ihren Haushalt einen Messstellenbetreiber gibt, dem sie Geld schulden). Eine unerfreuliche Situation für den Kunden - aber auch für den Messstellenbetreiber, dessen Aufgaben und Verantwortungen in diesen Fällen vom Netzbetreiber übernommen werden müssen. Aber wie kommt es dazu?

In der alten Welt, einfach gesprochen in der Welt der schwarzen Zähler, ist noch alles in Ordnung. Das Thema beginnt, wenn der schwarze Zähler durch einen grauen Zähler ersetzt wird, wenn also vom alten auf ein neues Messsystem umgestellt wird. Nach dem Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende ist das der magische Moment, in dem aus den zwei Rollen, die sich um die Versorgung der Haushalte kümmern, drei werden. Die Entscheidung, wie sich dieses neue Dreigestirn dann gegenüber dem Kunden verrechnet, trifft de-facto der Lieferant: Er entscheidet, ob er weiter vollintegriert gegenüber dem Kunden abrechnen will, der Kunde also mit der Stromrechnung Steuern, Energie, Netzentgelt und eben die Messung bezahlt, oder ob der Messstellenbetreiber die Messung separat beim Kunden einholen muss. In diesen Fällen zahlt der Kunde mit der „klassischen“ Stromrechnung Steuern, Energie und Netzentgelt und bekommt eine separate Rechnung vom Messstellenbetreiber.

Und richtig: Der Kunde wird nicht gefragt. Er merkt von dieser Entscheidung entweder nichts (weil der Lieferant entschieden hat, dass für den Kunden alles so bleibt wie es ist), oder er merkt es eben durch den Rechnungseingang für seinen Zähler. Aktuell sind es im Netzgebiet der Netze BW GmbH geschätzte 20 Lieferanten, die das so praktizieren. Fast 20.000 Kunden bekommen von uns eine eigene Rechnung über ihre Messstelle - in den allerallermeisten Fällen, weil es der Lieferant so entschieden hat.

Natürlich findet sich das in den Tarifdetails – beispielsweise beim größten Lieferanten unter den Anbietern, die bei uns im Netzgebiet für ihre Kunden eine separate Abrechnung festlegen (ein namhafter großer nationaler Stromversorger). Auf dessen Internetseite erhält man nach Eingabe der Postleitzahl ein Tarifangebot. Dann muss man auf das optisch schon langweilige Feld „Tarifdetails (i)“ klicken, dort an einem sehr lang(weilig)en Text mit allen Detailinformationen vorbei ganz weit ganz nach unten scrollen, um schließlich mit einem weiteren Klick auf „Wichtige Informationen zum Messstellenbetrieb“ den langen Text noch länger zu machen. Hier endlich wird dem Kunden die Problematik dargelegt. Allerdings wird er beruhigt mit „Du kannst den Messstellenbetreiber bei Bedarf einfach wechseln.“ – und das ist richtig, nur impliziert es im „richtigen“ Leben einen Handwerkerbesuch zum tatsächlichen Austausch des Stromzählers. Was wohl nicht ganz das ist, was man sich im Umfeld des Internets als Kunde unter „einfach wechseln“ vorstellt.

Aktuell ist das für alle noch erträglich, denn in der Regel geht es nur um „moderne Messeinrichtungen“ (in der Diktion des Gesetzes zur Digitalisierung der Energiewende – das sind die grauen Zählerkästen ohne Telekommunikationsanbindung). Für diese modernen Messeinrichtungen werden maximal 20 Euro im Jahr fällig. Am Ende wird hier dann wohl die Rechnung mit Ärger und Unverständnis gezahlt (auch nicht immer – bei uns sind aktuell ca. 11 % der Forderungen länger als vier Wochen offen). Das wird schlimmer werden, wenn zunehmend die intelligenten Messsysteme verbaut werden (das sind dann graue Zähler mit Fernauslesung), die je nach Verbrauch mit 23 bis 200 Euro im Jahr zu Buche schlagen. Ich vermute, die Netzbetreiber müssen an der Marketinggängigkeit ihrer Antwort „Sie hätten halt die wichtigen Informationen zum Messstellenbetrieb ganz am Ende der detaillierten Ausführungen zu ihren Tarifdetails lesen sollen“ noch arbeiten.

Als Netzbetreiber bleibt uns wohl nicht viel mehr, als das Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende umzusetzen und die Kunden bzw. im Allgemeinen über die Problematik zu informieren. Persönlich habe ich bereits vor längerem die großen Vergleichsportale angeschrieben, um sie auf diese Situation aufmerksam zu machen. Aus meiner Sicht gehört die Frage, wie mit dem Messstellenbetrieb umgegangen wird, zu den wesentlichen Informationen beim Preisvergleich. Der Gesetzgeber könnte vielleicht auch noch einmal überlegen, wie er im Sinne der Kunden und Unternehmen die selbstgemachte Komplexität bei der Digitalisierung der Energiewende reduzieren könnte. Und wenn Sie den Artikel bis hierher gelesen haben, sind auch Sie informiert: Es gibt zukünftig neben dem Lieferanten und dem Netzbetreiber auch den Messstellenbetreiber. Und der Lieferant entscheidet für Sie, ob der Messstellenbetreiber separat abrechnet, wenn Ihr Zähler von schwarz und analog auf grau und digital umgestellt wird. Für den Moment ist mein Auftrag erfüllt. 

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